Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
30. und 31. Jahrgang.2010/2011
Seite: 42
(PDF, 63 MB)
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zu der bedeutendsten Frau der Reformationszeit, die ein beeindruckendes Zeugnis weiblicher
Mitsprache und Teilname am damaligen Zeitgeschehen der Nachwelt hinterlassen hat12.

Mit ihrer Heirat hatte sich Katharina Zell nicht nur für einen bestimmten Partner entschieden,
sondern zugleich für eine bestimmte Glaubenspraxis. Vom Beginn ihrer Ehe an ging es ihr in
erster Linie um die Verbreitung des Evangeliums im reformatorischen Geist und um den Aufbau
der Gemeinde. Von ihrer „Eheberedung" (= Eheabsprache) mit Matthias Zell schreibt sie später,
dass nicht von „Morgengab, Silber noch Gold gesprochen wurde, sondern von Feuer und Wasser
um des Bekenntnisses Christi willen ". Außerdem legte ihr Matthias Zell ans Herz, von nun an
„ armer und verjagter lueth /Mutter zuo sein "13. Dazu sollte sie bereits im ersten Jahr ihrer Ehe
Gelegenheit bekommen. Denn am 1. Juli 1524 kamen Glaubensflüchtlinge in der Stadt Straßburg
an, deren Aufnahmebereitschaft für Verfolgte bekannt war. Es handelte sich um etwa 150 Ken-
zinger Männer mit ihrem Prediger Jakob Otter (um 1485-1547). Dieser hatte seit zwei Jahren
die Botschaft Luthers in Kenzingen erfolgreich vertreten, musste nun jedoch auf Druck der österreichischen
Regierung weichen. Im Mai 1524 reiste Erzherzog Ferdinand (1503-1564) in den
Breisgau, um die Verfolgung der „ lutherischen Ketzer" voranzubringen. Den Kenzinger Stadtherrn
Wolf von Hürnheim (gest. 1533) ließ er wissen, dass er Otter in Kenzingen „ nit mer haben
noch gedulden wolte "M. Am 24. Juni 1524 verließ Otter die Stadt in Begleitung der bewaffneten
Bürger, die ihm bis nach Malterdingen das Geleit gaben. Als sie am Tag darauf nach Kenzingen
zurückkehren wollten, verweigerte man den Ausgezogenen auf Befehl der vorderösterreichischen
Regierung in Ensisheim die Aufnahme in die Stadt. Daraufhin entschlossen sich die
Ausgesperrten, mit ihrem Prediger in Straßburg Asyl zu suchen. 80 dieser Flüchtlinge brachte
das Ehepaar Zell zunächst im Pfarrhaus unter. Mit Hilfe einiger Straßburger Bürgerinnen verpflegte
Katharina anschließend mehrere Wochen täglich 50 bis 60 Personen, bis den Kenzingern
im September die Rückkehr in ihre Heimatstadt gestattet wurde.

„Den leydenden Christglaubigen Weyhern der gemain zuo Kentzingen [...]"

Katharina Zell ging es jedoch nicht nur um die Versorgung der Flüchtlinge vor Ort, ihr Mitgefühl
galt auch den in Kenzinger zurückgebliebenen Frauen. So verfasste sie im Juli 1524 ein Trostschreiben
an diese, das als Flugschrift in Straßburg gedruckt wurde15 (Abb. 4).

Der Sendbrief, der nur acht Druckseiten umfasste, begann und endete mit Gebeten. In ihnen bat
sie Gott, den „vatter aller barmhertzigkeit", er möge den besorgten Frauen Geduld und Stärke
verleihen sowie den Geist Christi als „tröster /furer vnd schirmer" schenken. Sie versuchte,
ihre Mitschwestern zu trösten, indem sie ihnen den tieferen Sinn ihrer Not darlegte, sie zum
rechten Umgang mit dem Leiden anwies und die christliche Hoffnung in ihren Blick rückte.
Dabei bekundete sie den Betroffenen ihr Mitgefühl und ließ sie wissen, dass sie für sie bete.
Katharina war davon überzeugt, dass Gott selbst dieses Unheil über die Frauen habe kommen
lassen, aber sie verstand diese „ von gott gesandte trübsal" nicht als Strafe, sondern als eine Prüfung
und ein „ leyden vmb Christus willen wie es Gott nur „seynen allerliebsten kindern " zumute
. Die Kenzingerinnen sollten ihre bedrückende Lage als Bestätigung ihrer Gotteskindschaft
auffassen und dadurch in ihrem Glauben erstarken. Die Briefschreiberin betonte, es gäbe keinen
Glauben ohne Anfechtung. Die Nachfolge Christi war für sie gleichbedeutend mit Leidensnachfolge
: „Also wie es dem aller liebsten Sun [= Sohn] Gottes ist gangen / also muß es auch denen
/so mittym mitterben wollend seyn / auch gon. " Sie sprach auch von dem Ziel, das Gott durch
solche Prüfungen mit seinen „Kindern" erreichen wolle: die Abkehr „von begird diser weit"
und eine Lebenshaltung, in der die Gläubigen „ allein zu ym begeren ". Dieses Verständnis des
Leidens, wie es Katharina Zell ihren Mitschwestern hier vorträgt, entspricht der Sicht der mit-

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