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auf das Übelste und Gemeinste beschimpft. " Während dieser Sitzung kommt es zur großen Aussprache
. Der Pfarrer erläutert seine Position: „Es sind theologische Gründe, die nichts mit Parteipolitik
zu tun haben. Es geht um die Bewahrung der Schöpfung. [...] Es gilt NEIN zu sagen,
wo es gegen das Gesetz Gottes geht. Dir Kirche in einem demokratischen Staat kann sich nicht
auf die Insel der Seligkeit zurückziehen115. "
Am Ende der Aussprache stellt sich der Kirchengemeinderat einmütig hinter den Pfarrer und
weist die gegen ihn gerichteten Angriffe zurück. Nicht zuletzt dank vieler engagierter Pfarrer in
der badischen Landeskirche setzte im Zug dieser Auseinandersetzung ein gründliches Nachdenken
über die Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums ein116.
Fortschritt in der Ökumene: Eine historische Sitzung
Ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt in den 70er-Jahren ist auch die Ökumene. So wird am 12.
Oktober 1973 bei einer gemeinsamen Sitzung des evangelischen Kirchengemeinderates und des
katholischen Pfarrgemeinderates das ökumenische Altenwerk gegründet. Es ist die erste Sitzung
dieser Art, und so hebt das Protokoll „ den historischen Augenblick der heutigen Tagung der
beiden Gremien hervor"117. Nachdem man sich gegenseitig über die Aufgaben und Stellung der
jeweiligen Gemeinderäte informiert hat, wird es konkret. Das ökumenische Altenwerk wird die
Räumlichkeiten der katholischen Kirchengemeinde nutzen, bewegliche Einrichtungsgegenstände
werden entsprechend dem konfessionellen Anteil der Stadtbevölkerung finanziert, ein Leitungsgremium
wird gewählt und mit der Erarbeitung einer Satzung beauftragt. Das Altenwerk hat bis
heute Bestand und bietet Senioren beider Gemeinden im sogenannten Altenstüble des Kardinal
-B ea-Hauses jeden Donnerstagnachmittag die Möglichkeit zu einem geselligen Beisammensein
.
Im Mai 1978 verabschiedet sich das Ehepaar Schneider aus Kenzingen, da Pfarrer Schneider an
die Providenzkirche in Heidelberg berufen wird. Die Neubesetzung der Pfarrstelle gestaltet sich
schwierig. Im November 1978 ist endlich ein Nachfolger gefunden: Pfarrer Volker Trautmann
kann jedoch die Stelle erst im März 1979 antreten, da er in Bogota (Kolumbien) tätig ist118.
Gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit kann Pfarrer Trautmann mit seiner neuen Gemeinde ein
Fest feiern: deren 100. Geburtstag. Nach einem Festgottesdienst gibt es ein gemeinsames Mittagessen
im Gemeindehaus und eine Kaffeetafel mit zahlreichen Gästen119. Unter ihnen ist auch
Stefan Saum, der katholische Stadtpfarrer. Seine Anwesenheit ist ein äußeres Zeichen der guten
Zusammenarbeit zwischen den beiden Kirchengemeinden, die auch durch ganz praktische Hilfsbereitschaft
gekennzeichnet ist. So stellt beispielsweise die evangelische Gemeinde ihre Kirche
den Katholiken zum Sonntagsgottesdienst zur Verfügung, da das katholische Gotteshaus wegen
des Einbaus einer neuen Heizung einige Wochen nicht benutzt werden kann. Die Katholiken revanchieren
sich mit einem Kirchentausch am 20. März 1983, als die evangelische Kirche wegen
des großen Andrangs bei der Konfirmation aus den Nähten zu platzen droht120. Weitere Beispiele
für das ökumenische Engagement der beiden Gemeinden sind der seit 1981 bestehende Krankenpflegeverein
als Förderverein der katholischen Sozialstation und der 1987 entstandene ökumenische
Gesprächskreis, der bis heute Bestand hat. Ebenfalls in die Amtszeit Pfarrer
Trautmanns fallt die Gründung des Posaunenchors im März 1981, der zu einem festen Bestandteil
des Gemeindelebens und der Gottesdienste wurde.
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