Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
30. und 31. Jahrgang.2010/2011
Seite: 281
(PDF, 63 MB)
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Memoria in Kenzingen

Umsichtige Pflege der Erinnerung

Norbert Ohler

Wer sich in Kenzingen umschaut, begegnet ganz unterschiedlichen Stätten der Erinnerung; oft
wurzelt das Gedenken im christlichen Glauben. Den Autor hat es verlockt, den damit aufgeworfenen
Fragen nachzugehen1 und in einem ersten Teil einige dieser Wurzeln freizulegen. Der
zweite Teil ist der Gedenkkultur in der Stadt gewidmet. Im dritten Teil wird das Thema in weitere
Zusammenhänge eingeordnet.

I. Wurzeln der Erinnerungskultur

Gemeinsam ist den christlichen Kirchen die Erinnerung an das Letzte Abendmahl. Der älteste
Bericht hält fest:Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sagte
Dank, brach es und sprach: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Das tut zum Gedenken
an mich! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der
Neue Bund in meinem Blut. Das tut, so oft ihr daraus trinkt, zum Gedenken an mich2!" Dieser
Auftrag wird noch heute in Kenzingen mindestens wöchentlich, wenn nicht täglich erfüllt. Über
den lateinischen Text der Messe, in dem es hieß in mei memoriam3, sind memoria sowie Ableitungen
wie memoire, memory, commemorer, remember, remembrance zu bedeutungsstarken
Wörtern in den europäischen Sprachen geworden.

Unsere Gedenkkultur wurzelt auch in der jüdischen Religion; ihren Kernbestand bildet die Erinnerung
an die Heilstaten Gottes für sein Volk. In klassisch gewordenen Werken haben Griechen
die Erinnerung an das Gegen- und Miteinander von Hellenen und Barbaren festgehalten, die
Römer die Entwicklung einer Stadtkultur zu einer Weltkultur. Im Streben nach historischer Genauigkeit
haben die Griechen vergangene Ereignisse nach Olympiaden, die Römer nach den
Jahren seit Gründung ihrer Stadt datiert (ab urbe condita), der Tradition zufolge im Jahr 753
vor Christi Geburt.

Damit sind Wurzeln europäischer Erinnerungskultur genannt. Als Erben bedeutender Teile der
jüdischen, der griechischen und der römischen Kultur pflegen Christen das Gedenken. Das gilt
erst recht für die Länder, die das Christentum in seiner lateinischen Ausprägung übernommen
haben; der Einfachheit halber wird sie im Folgenden als , westlich' bezeichnet.

Das ,Gewicht' des Christentums zeigt sich in Hilfen, die wir für so selbstverständlich halten,
dass wir sie gar nicht mehr hinterfragen: Heute zählt man die Jahre weltweit nach der Geburt
Christi. Andere Ären sind weniger verbreitet: Muslime richten sich an einem für ihren Glauben
bedeutsamen Ereignis aus, dem Auszug des Propheten Mohammed nach Medina (Hedschra),
im Jahre 622 nach Christi Geburt. Juden datieren nach der Erschaffung der Welt, für die ihre
Gelehrten einst das Jahr 3761 vor Christi Geburt errechnet haben4.

Die Woche schließt für Juden mit dem Sabbat ab, für Christen beginnt sie mit dem Sonntag.
Kaiser Konstantin hat ihn im Jahr 321 als Tag der Auferstehung Christi zum wöchentlichen Ruhetag
erklärt5. Dem Christentum verdanken wir darüber hinaus den größten Teil unseres Festkalenders
, zu dem Weihnachten, Ostern und Pfingsten gehören (mit jeweils zwei arbeitsfreien
Tagen!), ferner Martini, Nikolaus und Silvester.

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