Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
30. und 31. Jahrgang.2010/2011
Seite: 282
(PDF, 63 MB)
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Das Thema dieses Beitrages legt es nahe, auch an die Namen der Monate und der Wochentage
zu erinnern: Januar, Februar, März usf. haben wir von den Römern übernommen, Sonntag bis
Samstag aus dem germanischen Sprachbereich. Abgesehen von Mittwoch sind sie ,heidnischen'
Ursprungs. In den romanischen Sprachen ist immerhin das Wort für Sonntag christlicher Herkunft
; französisch dimanche geht auf lateinisch dies domenicus zurück, 'Tag des Herrn'. Man
wird aus solchen Unterschieden kaum auf eine weniger tiefe Wirkung des Christentums in den
germanischen Ländern schließen wollen.

Beispiellos ist die westliche Erinnerungskultur auch hinsichtlich ihrer Tiefe und Breite. Sogar
ein Schülerlexikon weist eine große Zahl genau datierter Personen, Ereignisse und Entwicklungen
aus, und zwar nicht nur der westlichen Welt. Bedacht werden sie vor allem bei Jubiläen,
,runden' Jahreszahlen, die mindestens durch fünf teilbar sind. Im Frühjahr 2010, als der Autor
an diesem Beitrag arbeitete, erinnerten Presse, Hörfunk und Fernsehen an die Strandung des
Apostels Paulus an der Küste von Malta im Jahre 60 n.Chr., den Tod des Gelehrten Philipp Me-
lanchthon 1560, die Befreiung nationalsozialistischer Konzentrationslager im Frühjahr 1945,
die Wahl Benedikts XVI. zum Papst im Jahr 2005. In hoher Auflage gedruckte und weltweit
verbreitete Briefmarken halten als bedeutsam geltende Ereignisse im Bilde fest, im Jahr 2010
etwa ,1100 Jahre Limburg an der Lahn', ,1000 Jahre St. Michael in Hildesheim', ,200 Jahre
Museum für Naturkunde Berlin'6.

Allgemein anerkannten Regeln zu dem, was im Gedächtnis bewahrt werden soll, gibt es nicht.
So nehmen Lexikonredaktionen mit jeder Neuauflage Aktuelles auf, und sie lassen fort, was als
entbehrlich gilt; der Ausschluss muss nicht endgültig sein. Zu den Gemeinsamkeiten eines französischen
und eines deutschen Konversationslexikons gehören historische Gestalten wie Caesar
und Karl der Große, Michelangelo und Shakespeare, Bach und Gandhi, ferner Entwicklungen
wie Gotik, Aufklärung und Kolonialismus.

Auffallend ist ferner, was wir in der Schule oder über die Medien gelernt haben: Kreuzfahrer,
die ausgezogen waren, die heiligen Stätten aus der Hand der „Ungläubigen" zu befreien, haben
im Jahr 1099 unter den Bewohnern Jerusalems ein Blutbad angerichtet. In Bild und Text hält
sogar die Geschichte der Stadt Kenzingen fest, dass zur Zeit der Großen Pest Mitte des 14. Jahrhunderts
Tausende Juden umgebracht worden sind und dass ein kirchliches Gericht 1514 den
böhmischen Reformator Johannes Hus verbrennen ließ7. Zahllose weitere Ruchlosigkeiten
könnte man aufzählen, bis hin zu den Völkermorden im 20. Jahrhundert.

Erinnerungen spiegeln sich schließlich in unserem Privatleben, wie Stichworte zeigen (das
Thema verdient einen eigenen Beitrag): Der Trauring, Schmuck und Einrichtungsgegenstände
unserer Wohnung lassen uns an die Ehepartnerin, den Ehepartner, an Eltern und Großeltern,
Freunde und Bekannte denken. Der Kalender hält Geburtstage und andere persönliche Daten
fest. Ältere erinnern sich an die Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft, an eine Prüfung, an
den Antritt der begehrten Arbeitsstelle, die Goldene Hochzeit.

Verallgemeinernd darf man festhalten: Griechen und Römer, Juden und Christen haben eine bemerkenswerte
Erinnerungskultur geschaffen. Als die Europäer sich in andere Kontinente ausdehnten
, haben sie auch diesen Teil ihrer Kultur mitgenommen.

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