Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 9
(PDF, 62 MB)
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ihren lieblichen Duft einsog! [...] Und wenn er eine große Anzahl von Blumen fand, predigte er
ihnen und lud sie zum Lob des Herrn ein, wie wenn sie vernunftbegabte Wesen wären. So erinnerte
er auch Saatfelder und Weinberge, Steine und Wälder und die ganze liebliche Flur, die rieselnden
Quellen und alles Grün der Gärten, Erde und Feuer, Luft und Wind in lauterster Reinheit an
die Liebe Gottes und mahnte sie zu freudigem Gehorsam. Schließlich nannte er alle Geschöpfe
,Bruder'und, Schwester'und erfasste in einer einzigartigen Weise mit dem scharfen Blick seines
Herzens die Geheimnisse der Geschöpfe; war er doch schon ,zur Freiheit der Herrlichkeit der
Kinder Gottes' [Rom 8, 21] gelangt5." Was Thomas von Celano hier schreibt, ist belegt durch
den weit bekannten „Sonnengesang", den Franziskus 1224/25, als er schon fast ganz erblindet
war, in seiner Muttersprache gedichtet hat. Darin preist und dankt er Gott für „Bruder Sonne"
und „Schwester Mond", für „Bruder Feuer" und „Schwester Wasser", für „Bruder Wind" und
„ Schwester Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte
Blumen und Kräuter"6. Auch Klara von Assisi (1193-1253), die das Armutsideal des Franziskus
am treuesten befolgte - darum lohnt es sich, die Biografien beider parallel zu lesen7 -, ermahnt
ihre Mitschwestern, „ Gott zu loben, wenn sie schöne Bäume und ihre Blüten und Blätter sähen
und Blumen am Weg "8.

Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, die Franziskanerkirche von Kenzingen mit so vielen
Blumen, Gräsern und Kräutern ausgeschmückt zu finden: Die Schönheit der Schöpfung und die
Heilkraft der Kräuter wird gleichsam hereingeholt ins Haus Gottes, des Schöpfers und Heilers. Er,
der alles erschaffen hat, hat durch seinen Sohn Jesus Christus den gefallenen Menschen wieder
aufgerichtet, geheilt, erlöst, und er wird am Ende der Tage die ganze Schöpfung von der Sklaverei
befreien, „denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in
Geburtswehen liegt" (Rom 8, 22). Völlig zu Recht und mit gutem Gespür deutet darum Annegret
Blum den „Kräuterhimmel von Kenzingen als einen Sonnengesang in Formen und Farben "9. Was
Franziskus in dichterische Worte gefasst hat, haben spätere Künstler im Auftrag der Franziskaner
in raffinierter Anordnung ins Gewölbe der Klosterkirche gemalt. Frau Blum reiht die Darstellungen
im Deckengewölbe sowie jene an der linken und an der rechten Langhausseite aneinander und
nennt sie, soweit sie bestimmbar sind, mit Namen. So entsteht vor uns ein Blumen- und Kräutergarten
. Wer zum Gewölbe aufblickt, entdeckt dort eine „Himmelswiese als Urbild und Zielbild
menschlicher Sehnsucht: das Paradies "10.

So wie Frau Blum die Ausmalung der evangelischen Kirche beschreibt, sie mit den Pflanzendarstellungen
in der ehemaligen Klosterkirche der Zisterzienserinnen in Heiligkreuztal vergleicht
und daraus theologische Gedankengänge wie auch ökologische Forderungen für heute ableitet, so
beschäftigen sich aus Anlass der 3 50-Jahr-Feier weitere Autoren mit dem Wandel des Klosters im
Laufe der Zeit und mit dem Wirken der Franziskaner in Kenzingen seit ihrem Kommen bis zur
Auflösung ihres Klosters infolge der staatlich verordneten Säkularisation11.

Alle diese Autorinnen und Autoren sind ortskundig. Man kann ihnen nur dankbar sein, dass sie
sich so intensiv in die vorhandenen Archivalien vertieft haben. Ihre Aufsätze lassen eine fast schon
vergessene Geschichte wieder aufleben, zumindest halten sie diese für die gegenwärtige und künftige
Generationen fest. Meine Absicht ist es nun, diese lokale Geschichte der Franziskaner in Kenzingen
in einen weiteren Rahmen zu stellen, in den Rahmen der franziskanischen Ordensgeschichte
, angefangen bei den beiden Gründergestalten Franz und Klara bis zur Ankunft der Franziskaner
in Kenzingen. Diese Geschichte ist äußerst komplex und verwirrend und kann hier nur in groben
Linien nachgezogen werden. Damit soll deutlicher herausgearbeitet werden, wer denn gemeint
ist, wenn in lokalen Abhandlungen allgemein von Franziskanern, aber auch von Minoriten, Kon-

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