Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 16
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Dänemark und Schweden (1231), Ungarn (1233), Polen und Böhmen (1234). Schon 1224 hatte
Bruder Agnellus von Pisa eine Gruppe nach England geführt, wo sie sich von Canterbury nach
London und Oxford ausbreiteten. Hier wie in Deutschland ist die Niederlassung in Stadt- und Studienzentren
auffallend, während in Italien die Brüder zunächst eher einsam gelegene Ortschaften
wählten.

Rasche Ausbreitung und zahlenmäßiges Wachstum konnten die internen Auseinandersetzungen
nicht verbergen. Die einen wollten die Regel wörtlich befolgen und in kleinen Klöstern ein zurückgezogenes
Leben fuhren, die anderen zogen einen schlagkräftigen apostolischen Orden im
Dienst der Kirche vor. Die erste Gruppe berief sich auf das Wollen des Stifters, sanktioniert in
seinem Testament, die andere auf die Anpassung an Ort und Zeit sowie auf die Effizienz in der
Kirche. In ihrer Uneinigkeit wandten sie sich an Papst Gregor IX., der als Kardinal Hugolin Protektor
des Ordens gewesen war und Franziskus gut kannte. Mit seiner Bulle „ Quo elongati" vom
28. September 1230 (FQ, S. 1635-1641) hob er die Verpflichtung der Brüder auf das Testament
des Franziskus auf und gab ihnen eine verbindliche Regelerklärung, welche die Forderung der völligen
Besitzlosigkeit durch das Zugeständnis des Gebrauchsrechts für die Gemeinschaft erträglich
machte. Anstatt zu schlichten, vermehrte die Bulle aber den Streit: Die einen stellten die Ansicht
des Papstes über jene des Gründers und folgten mit gutem Gewissen der milderen, päpstlichen
Regelerklärung; die anderen verfochten das geistige Erbe ihres Ordensvaters und stellten seine
Worte und Taten über die juristische Deutung der höchsten kirchlichen Autorität. Grob gesprochen
, waren die einen auf den Papst fixiert - in der Tat folgte Bulle um Bulle, was unter den weit
verstreuten Brüdern nur Verwirrung stiftete - und die anderen auf Franziskus, den sie zum Maßstab
allen Handelns machten und dessen Regel sie schließlich für von Christus inspiriert ansahen.
Die erste Richtung führte zu den Konventualen, die zweite zu den Spiritualen. Letztere verstanden
sich als die ausschließlichen Erben des heiligen Franz. Angesteckt von den apokalyptischen
Ideen des Zisterzienserabtes Joachim von Fiore (f 1202) erhoben sie ihren Ordensvater über die
geschichtliche Realität zu einem Mythos: mit Franziskus sei die von Joachim angekündigte letzte
Weltzeit angebrochen, das Zeitalter des Heiligen Geistes.

Zwischen den Konventualen, die in großen Konventen inmitten der Städte dem Bürgertum dienten
, und den extremen Spiritualen ist die große Mehrheit derer zu finden, die versuchten, die
Beobachtung (observantia) der Regel mit den Erfordernissen der Zeit in Einklang zu bringen. Um
eine solche Vermittlung bemühte sich auf intellektueller und organisatorischer Ebene Bonaventura
von Bagnoreggio (1221-1274). Er war als Professor in Paris um 1243 in den Orden eingetreten
und vertrat die gelehrten Franziskaner. 1257 zum sechsten Ordensgeneral gewählt, gab er 1260
in den Konstitutionen von Narbonne dem Orden eine verbindliche Regeldeutung und 1262/63 in
zwei neuen Franziskus-Biografien, einer großen und einer kleinen (Legenda maior et minor. FQ,
S. 686-844), eine verbindliche Deutung des Wollens und Handelns des Gründers. Bonaventuras
kluge und maßvolle Amtsführung brachte ihm den Titel „Zweiter Gründer des Franziskanerordens
" ein.

Doch von Dauer war die Einheit nicht. Im Untergrund gärte es weiter. Man überlieferte Worte
und Taten des „ wahren Franziskus ", wollte auch in der Kunst sein wahrhaftiges Bild (yera
effigies) darstellen. So traten neben die offiziellen Lebensbeschreibungen Bonaventuras wieder
neue Legenden. In ihnen ist wertvolles Traditionsgut enthalten, aber auch manche Polemik
gegen den Status quo des Ordens. Am wertvollsten ist die Textsammlung von Perugia (FQ, S.
1083-1206), die ohne fortlaufenden Erzählzusammenhang viele Einzelberichte bringt. Mit ihr
hat der spätere „Spiegel der Vollkommenheit" (speculum perfectionis: FQ, S. 1207-1332), der

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