Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 67
(PDF, 62 MB)
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ausschließlich über wandelhafte menschliche Gedächtnissen zu bewahrenden und aktualisierbaren
Vermittlungsweise ohne materialisierte Kommunikationsträger. Es soll indessen scharf
betont und zugleich zum Forschungsgegenstand statuiert werden, dass kulturell geschaffene
Mechanismen und Handlungsmuster wie insbesondere die Dinggerichtsversammlung eingerichtet
waren, mit denen Menschen als Kulturwesen auf diese Bedingungen reagierten und
in diesen Bedingungen versucht haben, Traditionssicherheit und Eindeutigkeit auf bestimmte
Weise, eben ohne eine Buchstabenschrift auf einem dauerhaften, lagerfähigen und handhabbaren
Speichermaterial, auf bestimmte und bestimmbare Weise zu gewährleisten. Das soll
heißen, diese Mechanismen sind zwar kaum noch beobachtbar oder empirisch unmittelbar auf
dem Archivmaterial beziehungsweise den Texten auffindbar, aber doch aus den archivalischen
Relikten ableitungs- und erschließungsfähig.

Wer war verpflichtet, Zeugenschaft auszuüben, wessen Anwesenheit beim Dinggericht war obligatorisch
, um zuzuhören und um dorthin Observation zu pflegen? Der Andlauer Hofroteltext
sagt dazu nichts Näheres, im "Schwabenspiegel" und anderen Roteltexten heißt es, wer "zu seinen
Tagen gekommen " war, also ein gewisses Alter, das Erwachsenenalter erreicht hatte, musste
der Einladung zum Dinggericht Folge leisten, um zuzuhören und den Huldigungseid vor der anwesenden
ganzen Versammlung sichtbar ausführen. Was hieß das nun, zu seinen Tagen gekommen
zu sein? Einen interessanten und zugleich instruktiven, aufschlussreichen Spruch hierzu
finden wir in den 1341 notierten Dingrechten von Freiamt: Ein Mann als "hagestolz " (das heißt
noch ohne Ehe und Familie) ist überhaupt steuerpflichtig und damit dingpflichtig, wenn "der
sich gürtet zwüschent zwene berte"41; hat er dann jedoch "Husrouche", Hausrauch also, einen
regelrechten, eigenständigen bäuerlichen Wirtschaftsbetrieb mit dem Sichtbarkeitszeichen
einer qualmenden Koch- und Herdstelle und deshalb notwendigerweise auch Familie, muss er
weitere, zusätzliche Dienste und Abgaben leisten. Der Satz ist deshalb instruktiv, weil er auf
Sichtbarkeit, auf visuelle Kommunikation und Einprägungsmöglichkeit rekurriert - sobald einem
Jüngling Bart- und Schamhaare gewachsen waren und er sich "zwischen den beiden Bärten"
den Gürtel umlegen durfte, hatte er Zeuge zu sein. Der Sachverhalt bezieht eine unbestreitbare
Logik auch daraus, dass der Mensch dann nicht nur zeugnis- sondern auch zeugungsfähig erscheint
und deshalb so schnell wie möglich bei der nächstfolgenden Dinggerichtsversammlung
den Huldigungseid schwören muss, damit förmlich und öffentlich klargemacht wird, welchem
Herrschaftskreis er und seine - jetzt möglichen - Nachkommen zugehören.

IV.

Insgesamt, um das zu ergänzen, betrafen die 1284 beurkundeten Bestimmungen des "Andlauer
Hofrotels" erstens "Zwing und Bann ": Die Schöffen sagten, die Äbtissin habe in allen den
zuvor aufgezählten Orten die herrschaftliche Gebots- und Zwangsgewalt im Bereich der
Niedergerichtsbarkeit. Zweitens dürfe die Äbtissin dreimal im Jahr die Gerichtsversammlungen
(gedinge) einberufen, wie bereits erwähnt, und soll dabei den Vorsitz führen, zusammen mit einem
"freien Vogt" (das heißt, das Kloster sollte den Vogt frei wählen dürfen). Drittens, wenn
die Äbtissin zur Anreise über den Rhein übersetzte, so war ein bestimmter Bauer verpflichtet
, ihr ein Pferd heranzubringen und dieses während des gesamten Umritts von Dinghof zu
Dinghof mit Futter zu versorgen. Viertens, der jeweilige Schultheiß eines jeden Gerichtsortes
muss der Äbtissin Unterkunft und Mahlzeit gewähren. Fünftens, wer bis zum Martinstag seinen
Zins nicht entrichtet hat, oder bei der Gerichtssitzung fehlt, hat 3 Schillinge Strafe zu zahlen,
die der Schultheiß einzieht. Sechstens, bei der Gerichtssitzung soll ein Bannwart erwählt und
eingesetzt werden; dieser wird ein Jahr lang von der Zinsabgabe befreit. Siebtens, zu den drei

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