Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 134
(PDF, 62 MB)
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naturgegebener Vorgaben auf vielfältige Weise zu entfalten vermag. Vermeinte das Zeitalter
der Aufklärung, in dem auch Christoph Arnold das Licht der Welt erblickte, Natur biologisch
und physikalisch, also naturwissenschaftlich ergründen zu müssen, so prästabilisierte sich als
Alternative dazu ein besonderes Gespür für das Gefühl, das in der Poesie und bildenden Kunst
seinen Nachhall finden sollte. Von einem Zeitalter der Empfindsamkeit wird gemeinhin gesprochen
, für das unter anderem ein Jean Jacques Rousseau den Nährboden bereitete. Seine Aufforderung
, zur Natur zurückzukehren - „ retournons ä la nature " - sollte zum Leitgedanken eines
neuen Selbstverständnisses von Kunst und Baukunst werden, das poesievolle Bildgestaltungen
auf den Plan rief und mitunter selbst sentimentalen Implikationen freien Raum ließ. Ganz so
neu war der hehre Anspruch, Natur in unverblümter Schönheit darzustellen und sichtbar zu
machen, freilich nicht. Ausgehend von der idealen Landschaft, wie sie sich im absolutistisch
regierten Frankreich bereits vor Rousseau in nahezu absolutistischer Vollkommenheit in Gemälden
eines Nicolas Poussin und Claude Lorrain darstellt, bildete sich um 1800 in Deutschland
die Auffassung der heroischen Landschaft eines Jacob Philipp Hackert (1737-1807) oder
auch eines Joseph Anton Koch (1768-1839) heraus. Was sich in ihren Bildern als heroisch und
idealisierend ausnimmt, ist wie bei Poussin und Claude die Bezugnahme zur römischen Cam-
pagna. Mit der Darstellung der Schweizer Alpenwelt - insbesondere dem Schmadribachfall im
Lauterbrunner Tal von 1811 - wusste Koch, der übrigens in Rom Arnolds freundschaftliche
Bekanntschaft gemacht hat, der deutschen Gemütslage gerecht zu werden. In den Schweizer
Bergen, die dem Himmel am nächsten sind, drückt sich ein allgemeinverständliches Bewusst-
sein von metaphysischer Sehnsucht aus, wie sie sich vielleicht am nachhaltigsten in den Bildern
Caspar David Friedrichs (1774-1840) Bahn bricht. Natura naturans als Inbegriff schaffender
Natur, die im Prozess des Werdens das immerwährende Prinzip göttlichen Ursprungs voraussetzt
, und natura naturata als Ausdruck geschaffener Natur sind oszillierende Behelfsbegriffe
für den Akt des künstlerisch Schöpferischen in bewusster Teilhabe der Natur. Natur nachzuahmen
setzt keine oberflächliche Wahrnehmung voraus, sondern verlangt dem Künstler eine
intelligible Wesensschau ab. Seiner individuellen Wahrnehmung ist es anheimgestellt, Natur
in ihrem verborgenen Sosein sichtbar zu machen. Baruch Spinoza (1632-1677), ein in der
Zeit um 1800 viel gelesener und kontrovers beurteilter Philosoph, hat in Reminiszenz scholastischen
Denkens diesen Denkansatz aufgegriffen, um nicht zuletzt Goethe dafür empfanglich
zu machen. Von übergeordneter Strahlkraft für das reflexive Bewusstsein von Natur und Kunst
ist nicht zuletzt die idealistische Denkweise F.WJ. Sendlings gewesen, der gern als Philosoph
der Romantik etikettiert wird. Abgesehen davon, dass sich Schelling eingehend mit Naturphilosophie
beschäftigt hat und Aspekte der Kunst auf der Grundlage ästhetischer Implikationen
hinterfragt, scheint vor allem seine 1807 in der Akademie der Wissenschaften in München
gehaltene Rede „Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur" für die seinerzeit
lebenden Künstler von verständiger Tragweite gewesen zu sein5. Architektur wird darin zwar
nicht eigens thematisiert, wird in ihrer Bedeutung als Bau-Kunst aber auch nicht ausgeklammert
. Wem unter den zeitgenössischen Architekten Sendlings Schrift aus dem Herzen sprach,
war immerhin Friedrich Arnold, Christophs Bruder, der aus ihr zitiert.

Auf dem Gebiet der Skulptur ist primär die menschliche Gestalt Objekt der Kunst. Das wohl
kühnste Bildwerk in der Beziehung von Figur und Natur dürfte um 1623 Gianlorenzo Bernini
mit Apollo und Daphne in der Galleria Borghese zu Rom gelungen sein. In besitzergreifendem
Verlangen stellt der Gott der Künste der göttlich schönen Nymphe nach, die sich ihm jedoch,
indem sie sich in einen Lorbeerbaum verwandelt, rechtzeitig zu entziehen vermag. Im Szenischen
der Handlung, im Transitorischen der figürlichen Harmonie, in der Anmut und Erotik der

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