Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 140
(PDF, 62 MB)
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einen herrlichen Blick auf die unter ihm aufblühende Stadt8. Nun aber war diese merkwürdige
Baulichkeit, die gemeinhin als „Gotischer Turm" bezeichnet wird, nicht allein ein Ausflugsziel
schöner Aussichten, auch keine bloß als Blickfang dienende „fabrique sondern ein
Monument verinnerlichter Tristesse, dem sich die Markgräfin eingedenk ihres Schicksals mit
gemischten Gefühlen zuwandte. Flankiert von kapellenartigen Anbauten, die in ihrem gotisierenden
Erscheinungsbild etwas Englisches an sich hatten und auch etwas Unheimliches heraufbeschwören
mussten, verstand sich der „Gotische Turm" als Inbegriff einer Erinnerungsstätte
für den verstorbenen Gemahl der Markgräfin. 1801 war Erbprinz Karl Ludwig (1755-1801)
auf der gemeinsamen Reise zu den nach Russland und Schweden verheirateten Töchtern in Ar-
boga, nahe Stockholm, tödlich verunglückt. Großherzog Karl Friedrich, selber tief erschüttert
über den Verlust seines Sohnes, war angehalten, seiner Anteilnahme Ausdruck zu verleihen und
ersuchte Weinbrenner um die Planung eines Monuments, das als Ort der Andacht und innerer
Einkehr von übergeordneter Tragweite sein sollte. Auf diese Weise entstand nach Maßgabe der
örtlichen Gegebenheit - und weil auf drei hundertjährige Eichen Rücksicht zu nehmen war,
die der Verstorbene noch zu Lebzeiten „gepflanzt" hatte - jene verwinkelte Baulichkeit, deren
eigentliche Funktion und multifunktionaler Zweck von außen kaum zu erahnen war. Selbstverständlich
war einer Andachtskapelle stattgegeben - ohne sichtbares Zeichen eines christlichen
Kreuzes auf dem altargleichen Cippus -, im Obergeschoss gab es neben einem Saal für familiäre
Zusammenkünfte ein Kabinett musealer Erinnerungsstücke und weiter treppauf gelangte
man zur Aussichtsgalerie des burgähnlichen Turms, unter dem Weinbrenner zu allem noch
einen Eiskeller angeordnet hatte. Der Raum allerdings, der ein sanftes Gemüt aufzuwühlen
vermochte, war ein Badezimmer. Dort, in der grabähnlichen Vertiefung des Fußbodens, pflegte
die verzweifelte Markgräfin ihr rituelles Bad zu nehmen - in der Wanne des ihr überlassenen
Sargdeckels, unter welchem der Leichnam ihres Gatten nach Karlsruhe überführt worden war9.
- Vieles mehr ließe sich zu diesem Akt nekrophiler Läuterung sagen, doch besinnen wir uns im
Interesse unseres Themas wieder auf den Aspekt romantischer Verbindlichkeit.

Für angehende Architekten, die sich im Zeichnen vervollkommnen wollten, bot sich der in seiner
Asymmetrie und komplizierten Gestalt nicht so leicht wiederzugebende „Gotische Turm"
als ein ideales Studienobjekt an. Es war üblich, die Pläne des Meisters zu kopieren, um sich
von der architektonischen Konstruktionsweise einen Begriff zu machen und um sich in der
sachgerechten Darstellung zu üben. Natürlich sollten die Plankopien auch dazu beitragen, dem
architektonischen Werk des Meisters zu mehr Popularität zu verhelfen. Vom „Gotischen Turm"
sind gleich mehrere Schülerkopien überliefert und auch von Arnolds eigener Hand haben sich
zwei Zeichnungen erhalten10 (Abb. 4). Sie sind signiert und eine von ihnen ist auf 1803 datiert;
sie sind also just zu dem Zeitpunkt angefertigt worden, als das Gebäude seiner Vollendung
entgegenging. Dass Arnold ein begnadeter Zeichner gewesen ist - nicht von ungefähr erging an
ihn im Jahr darauf der Ruf zum Professor an die Düsseldorfer Kunstakademie -, hat uns bereits
das schöne Blatt vom Burgturm in Badenweiler vor Augen geführt.

Sehr wahrscheinlich haben Arnolds Zeichnungen der uns schon vertrauten Darstellung von
Christian Haldenwang (1770-1831), einem befreundeten Grafiker aus Durlach, als Vorlagen
gedient (vgl. Abb. 3). Hier scheint der runde Turm von der Anhöhe in Badenweiler in die Ebene
versetzt worden zu sein, um als „Gotischer Turm" in einer bildhaft aufgewerteten Parklandschaft
sein idealisiertes Umfeld zu erfahren. Wohl auch mit Arnolds Zutun dürfte das Bauwerk
in die rechte perspektivische Stellung gebracht worden sein. Dafür war er bekannt und noch
zu seinen Lebzeiten sollten seine Fähigkeiten auf dem Gebiet der Mathematik (Geometrie)
und perspektivischen Darstellungsweise in Huhns Lexikon vom Großherzogthum Baden eigens

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