Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 144
(PDF, 62 MB)
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ten flankiert wird. Ein nicht zu übersehender sakraler Zug haftet der im Schnitt zutage tretenden
pseudobasilikalen Struktur sowie der apsidialen Wandnische im Fond an. Dort, wo ein Altar
stehen könnte, wird ein monumentales Arrangement nymphomaner Naturfreuden erlebbar. Die
ganze Apsis ist als Grotte stilisiert. Das sogenannte Apollonbad, die berühmte Felsgrotte mit
Apoll und den Nymphen im Schlossgarten von Versailles, ab 1666 überlebensgroß von Fran-
cois Girardon in Marmor hergestellt, scheint hier ins Innere eines Raumes verlegt zu sein. Es
ist nur vordergründig ein Ort der Naturentrückung, an dem sich Nymphen ihrer Scham sicher
wähnen. Im Gegenteil, dem Besucher dieses Etablissements erschließt sich ein Schauspiel dargebotener
Erotik, wie es sich in Ovids Metamorphosen vergegenwärtigt.

Die Idee dieses Projekts ist der französischen Revolutionsarchitektur verhaftet, die unter dem
Einfluss des aufgeklärten Naturbewusstseins im Rückgriff auf die vom Abbe Laugier, einem
Jesuitenpater, 1755 in seinem „Essai sur Parchitecture" zur Diskussion gebrachte „Urhütte" mit
dazu beitrug, den strengen Klassizismus weinbrennerscher Ausprägung vorzubereiten. Vom Pariser
Hotelparticulier der Zeit um 1760, von Claude-Nicolas Ledoux' Pavillon Guimard etwa,
leitet sich in Weinbrenners Entwurf die apsidiale Vorhalle her, während die als Echoform im
Innern wiederkehrende Nische der Saline von Chaux bei Are et Senans in der Franche-Comte
verpflichtet sein dürfte. Als direktes Vorbild erweist sich jedoch die „Laiterie de la Reine" im
Schlosspark von Rambouillet, die im Jahre 1785 auf Geheiß von Ludwig XVI. für seine naturverliebte
Frau Marie Antoinette von dem Architekten Charles Thevenin errichtet wurde, auf die
wir hier nicht näher eingehen wollen17. Dort ist es, zwei Jahre später von Pierre Julien gefertigt,
die auf dem Rücken einer Ziege sitzende Nymphe Amalthea, deren unverhüllte Schönheit sich
von dem dunklen Hintergrund einer steinigen Grotte abhebt.

Der barocke, ebenso poetische wie geistig umnachtete Gedanke, Natur als integralen Bestandteil
eines Raumkonzepts zu begreifen und in einem Innenraum demonstrativ zur Geltung zu
bringen, bereitete im Zuge der Aufklärung die aberwitzige Tendenz vor, christliche Kirchen in
einen Tempel der Vernunft zu verwandeln. Der Altar wurde ersetzt durch ein erhöhtes templum
virtutis oder durch eine erhabene Allegorie der Vernunft in Frauengestalt. Von dem bedeutenden
Architekten Alexandre-Theodore Brongniart - wir kennen ihn von einigen Pariser Hotels und
der dortigen Börse oder auch von der Neugestaltung des Friedhofs Pere Lachaise - sind Pläne
überliefert, den Chor der Kathedrale Saint-Andre in Bordeaux durch einen mächtigen - haushohen
- künstlichen Berg auszugestalten. Ein Spazierweg, wie er sich in Christoph Arnolds
Badenweiler Zeichnung den Berg emporschlängelt, versinnbildlicht den Aufstieg zum Heil. Es
ist dies nur ein Beispiel unter vielen, das hier stellvertretend die kunstgeschichtliche Tragweite
von Architektur innewohnender Natursymbolik verdeutlichen mag18. Übrigens war auch Weinbrenner
, der sich 1798 am Wettbewerb für ein republikanisches Forum auf der Place du Chäteau
Trompette in Bordeaux beteiligte, während seiner zeitweiligen Anstellung in Straßburg dazu
berufen worden, das Münster in einen Tempel der Vernunft zu verwandeln. Er bequemte sich
dabei der Holzbauweise, um späterhin, Gott wird es ihm danken, den ursprünglichen Zustand
schadlos wiederherstellen zu können.

IV.

Von Christoph Arnold sind uns derart bizarre Baulichkeiten nicht bekannt. Er ist zu bodenständig
und zu pragmatisch für Phantasmagorien. Zu seiner Zeit, in der es den vergleichsweise
unerheblichen Ansprüchen eines knauserigen Bürgertums gerecht zu werden galt, ist er aber
auch niemals zu derart verwegenen Bauaufträgen aufgefordert worden. Nahbarer und als Regu-

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