Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 162
(PDF, 62 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2013-32-33/0164
Es fällt auf, dass in dem dargestellten Abschnitt der unteren Zähringer Vorstadt keine Bäume
stehen. Gärten, und das muss man wissen, liegen hinter den individuell ausgeprägten Wohnhäusern
, die sich nach lokaler Gepflogenheit zu einer traufseitigen Randbebauung ergänzen.
Der Münsterturm im Fluchtpunkt der Straße und überhaupt das Bewusstsein des immergrünen
Schwarzwaldes kompensieren das heute oft übertriebene Bedürfnis nach „green in the city" -
zum Glück, denn nur so ist ein freier Blick auf Architektur gewährleistet. In unserem Beispiel
ist es die Sicht auf den „schönsten Turm der Christenheit'"4\ der durch Arnolds Architektur
eine äußerst gelungene Rahmung erfährt. Mehr noch, der zutage tretende Gegensatz von Gotik
und Klassizismus ist aufgehoben im Verein stimmungsvoller Harmonie. - Ganz ohne Grün geht
es dennoch nicht. Auf den Terrassen der beiden Rondelle - nicht auf den der Repräsentation
vorbehaltenen Baikonen - ist Platz für einen recht üppigen Dachgarten anberaumt. Der „ kleine
Wald auf dem Dach " tritt nicht nur als malerische Zutat in unserer Perspektivansicht in Erscheinung
, sondern ist integraler Bestandteil der Arnoldschen Planung. Entlehnt haben könnte
Arnold seinen Planungsgedanken von Rom her, zumal sich in der Kunstgeschichte ein unmittelbares
Vorbild vergeblich nachweisen lässt, und auch im engeren Umfeld klassizistischer
Architektur ist dieser romantisch anmutende Leitgedanke beispiellos42. Piranesi immerhin lässt
Natur aus den von ihm dargestellten Ruinen der römischen Antike hervorsprießen, was aber bei
aller Idealisierung Ausdruck natürlichen Sachverhalts ist. Für das neuerungsbewusste Selbstverständnis
des Jugendstils, das unter manchem Gesichtspunkt auf die heile Welt des schöngeistigen
Biedermeier rekurriert, ist Arnold der Zeit voraus. Noch heute wendet sich manch
einer wie einst Carl Spitzweg liebevoll seinem Kaktus zu und trägt der biedermeierlichen Gepflogenheit
Rechnung, sich durch Topfblumen auf der Fensterbank die Aussicht zu verstellen.
Einer zeitgenössischen, im Freiburger Augustinermuseum archivierten Bleistiftzeichnung zufolge
sind die beiden Rondellhäuser so ausgeführt worden, wie Arnold sie entworfen hat43. Erst
im Laufe der Zeit hat man die Dachterrassen flachen Kegeldächern geopfert, vermutlich, weil
Regenwasser durch die Decke hindurchsickerte - die alte Crux der Flachdächer. Auch so haben,
wie alte Fotos noch erkennen lassen, diese schönen Gebäude den Blick auf die Stadt aufgewertet
, bis sie dann im letzten Weltkrieg zerstört wurden.

Die hier besonders ins Auge gefassten Dachgärten sind im Werk von Christoph Arnold kein
Einzelfall. In der Flucht derselben Straße, an der Nahtstelle zwischen der neuen Zähringer Vorstadt
und der Altstadt, errichtete Arnold vis-ä-vis der Karlskaserne von 1827 bis 1829 das sogenannte
Kommandantenhaus - keine Kommandantur, sondern das Wohnhaus des Freiburger
Stadtkommandanten (Abb. 20). Wie uns sein Entwurf zeigt, ist es mit seinen dorischen Säulen
im Eingangsbereich ein Gebäude strengen Stils, das sich, obwohl nur zweistöckig, selbstbe-
wusst gegenüber der mächtigen Kaserne zu behaupten wusste. Das Problem, die Baumasse im
Hinblick auf den sich ergebenden Platz, den neuen „Ludwigsplatz", auszugleichen, hat Arnold
auf eine so raffinierte wie überzeugende Weise zu lösen verstanden, indem er seinen Neubau
durch zwei höhere Wohngebäude mittels eingeschossiger Verbindungselemente, die als Toreinfahrten
dienen, eurhythmisch flankiert. Dass einer so stattlichen, in ihrer Staffelung fein
ausgewogenen Anlage, die mitunter noch den Einfluss des eleganten Pariser Hotel particulier
verrät, die Baugenehmigung erteilt würde, stand außer Frage. Allein - Ironie des Schicksals -
der Bau des rechten Mietshauses scheiterte am Einspruch einer Gärtnerin, die den behördlich
genehmigten Bau doch noch verhindern konnte. Sie, die erste Grüne von Freiburg, unterhielt
eine von der Baustelle etwas abseits gelegene Gärtnerei und sah sich plötzlich durch den geplanten
Verbau ihrer Zufahrt in ihrer Existenz bedroht. Die ganze Angelegenheit weitete sich
zu einem Politikum ersten Ranges aus, dem sich letztlich die Behörden beugen mussten - ganz

162


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2013-32-33/0164