Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 221
(PDF, 62 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2013-32-33/0223
In Kenzingen begann der Tag 1952 mit den Festgottesdiensten beider Konfessionen75. Nachmittags
sprach im Beisein des Kreisvorsitzenden Wirth Pfarrer Hans Paust, Freiburg: Gott setze
auf die Deutschen die gleiche Hoffnung wie einst auf Hiob. Im deutschen Osten sei schon immer
das christliche Abendland verteidigt worden. Durch einen Federstrich könne die 700 Jahre
alte deutsche Kultur des Ostens nicht beseitigt werden. Auch wolle man sich nicht auf Dauer
mit dem zerstückelten Rumpf [gemeint: Deutschland] abfinden. Auf die Ansprache folgte das
Totengedenken mit dem Lied vom guten Kameraden. Der Kulturausschuss des BVD übergab
ein künstlerisch gefertigtes Wappen, das zur Nagelung aufgestellt wurde. Der Erlös ging an das
Jugendwerk. Stadtrat Hermann von Bremen begrüßte die Anwesenden als Vertreter der Stadt.
Die „Solidarität"-Radfahrer Emmendingen trugen mit Kunstradfahren bei und die Stadtmusik
begleitete mit ihrem Spiel das Fest. Allen Kindern wurde eine Wurst mit Wecken spendiert.
Abends beschloss eine Tanzveranstaltung in der Festhalle den Tag.

1954 sollte der „Tag der Heimat" gemäß dem Aufruf des südbadischen Regierungspräsidenten
Paul Waeldin am 3./4. Juli 1954 ausdrücklich zusammen mit den einheimischen Verbänden
stattfinden (Motto: „Alte und neue Heimat")76. In Kenzingen war jedoch wenige Wochen vorher
mit Rücksicht auf andere Veranstaltungen eine Verschiebung des Tags auf den 18. Juli 1954
angestrebt worden. Gleichwohl konnte der BVD anscheinend wegen der regierungsamtlichen
Unterstützung den 4. Juli als Feiertag durchsetzen77.

Am 4. Juli gaben nach dem Festgottesdienst in beiden Kirchen die Stadtkapelle und der MGV
„Eintracht" ein Konzert mit Marschmusik und heimatlichen Chören78. Einige Stunden später
fand der Heimatabend der Vertriebenen statt. Nachdem der Vorsitzende Krall den Bürgermeister
, drei Stadträte, die beiden Pfarrer und andere bekannte Personen begrüßt hatte, folgte inmitten
vieler Heimatlieder die Ansprache des Kulturreferenten Loch. Er verwies auf das Potsdamer
Abkommen, das „unermessliches Elend" über die Vertriebenen gebracht habe. Dabei bat er
die Einheimischen, sich vorzustellen, sie seien „von Haus, Hof und Feld" vertrieben worden,
und warb um Mithilfe und Verständnis. Nach der Forderung, die Arbeitslosigkeit unter den
Flüchtlingen zu bekämpfen, dankte er dem Bürgermeister für seine Mitwirkung bei der Vorbereitung
der Feier und bekannte sich abschließend zur Pflege des Brauchtums und der Sitten
der angestammten Heimat".

Mit dieser „ von oben befohlenen " Feier sollten über „ das gemeinsame Bekenntnis zu Brauchtum
und Sitte" unübersehbare Gräben zwischen Vertriebenen und Einheimischen zugedeckt
werden. Der Berichterstatter gab mit seinem Kommentar die Meinung offizieller Stellen wieder
, indem er hervorhob, „ dass die zwangsläufige Eingliederung der Brüder und Schwestern
aus dem Osten in unseren Volkskörper über die Erwartungen hinaus gelungen ist und nun zu
dem aus der Not geborenen Kontakt auch noch die Annäherung von Mensch zu Mensch auf
dem besten Wege ist". So sehr sich alle vernünftig Denkenden über die „Assimilierung" freuen
würden, so sehr müsse man der gesamten Welt klarmachen, dass man nie auf das Land im Osten
verzichten werde. Mit diesen Worten wurde nach innen Einigkeit suggeriert, um gegenüber
dem Ausland umso entschlossener auftreten zu können.

Wurde sonst in Berichten häufig eine eventuelle Anwesenheit von Einheimischen angeführt, so
fehlt hier ein Hinweis darauf. Ferner fällt die strikte Aufteilung des Festtages nach der Messfeier
auf: Das mittägliche Konzert war Sache der Alteingesessenen, der Heimatabend eine Angelegenheit
der Vertriebenen. Der „Tag der Heimat" 1955 belegte deutlich, dass die hehren
Absichten von 1954 fehlgeschlagen waren. Es war nicht nur bei einer einmaligen gemeinsamen
Feier geblieben, mehr noch, die Kenzinger Vertriebenen benötigten wohl Unterstützung von

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