Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
32. und 33. Jahrgang.2012/2013
Seite: 225
(PDF, 62 MB)
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Das lenkt über auf das Selbstverständnis der IG und des BVD sowie ihrer Mitglieder. In seinem
Dankesschreiben an das Bürgermeisteramt verbunden mit der Erntedankfeier vom 18. Oktober
1958 bemerkte der BVD-Geschäftsfuhrer Schmidt: Die stattliche Zahl der Einheimischen habe
ihn „tiefstem beeindruckt''93. „ Wir wollen und fühlen uns eins mit der einheimischen Bevölkerung
, wollen aber dabei nicht vergessen, dass wir Flüchtlinge und Vertriebene sind. " Ähnlich
äußerte sich der BdV-Landesvorsitzende Karl Mocker auf der Stuttgarter Zentralfeier zum „Tag
der Heimat" 1959, wenn auch ungleich politischer: Er warnte eindringlich davor, das Vertrie-
benenproblem durch Assimilierungsmethoden zu lösen94. Die Eingliederung dürfe keinesfalls
eine Einschmelzung zur Folge haben, sondern müsse das körperliche, geistige und seelische
Potenzial der Vertriebenen und Flüchtlinge bewahren und erhalten. Wenn die Vertriebenen aufhörten
, ihre Vertreibung als Rechtsbruch zu empfinden, ginge dem deutschen Volk das Recht
auf den deutschen Osten verloren.

Einerseits strebten die IG und der BVD die Integration der Vertriebenen an, andererseits galt
es aber, die Vertriebenen als Gruppe so lange wie möglich hör- und sichtbar zu erhalten. Damit
konnte zum einen den sozialpolitischen und zum anderen den außenpolitischen Forderungen
weiter Nachdruck verliehen werden. Bei Letzterem ging es nicht nur um die Rückkehr in die
Heimat, sondern auch um Grenzrevisionen. Außerdem verwahrten sich die IG und der BVD
schon aus organisatorischen Gesichtspunkten gegen das Postulat der Assimilation oder Einschmelzung
. Indem sich seine Klientel nicht mehr von den Einheimischen unterschieden hätte,
wäre das aber das Aus als Organisation gewesen. Daher war bei den Aktivitäten und Äußerungen
der IG und des BVD aus vielerlei Gründen immer auch ein gerüttelt Maß Separation im
Spiel.

Die Ursachen für den Niedergang des BVD waren vielgestaltig. Der Hauptgrund ist in der
fortgeschrittenen Integration der Vertriebenen zu suchen. Ende der 1950er-Jahre hatten die
allermeisten Wohnung und Arbeit gefunden. Viele ehemals Aktive zogen sich aus dem Verbandsleben
zurück. Wenn auch die soziokulturelle Integration bei Weitem noch nicht so stark
vorangekommen war, so hatten doch viele Vertriebene erkannt, dass es kein Zurück mehr in
die alte Heimat gab. Daher mussten sie hier ihre neue Heimat suchen und aktiv auf die Einheimischen
zugehen. Die drängendsten wirtschaftlichen und sozialen Probleme waren gelöst und
die starke Hervorhebung der Kultur der Herkunftsgebiete war für viele nicht mehr wichtig oder
wurde gar als integrationshemmend betrachtet. Ähnlich verhielt es sich mit den Vertriebenen-
vereinigungen, die das Fremd- und Selbstbild der Vertriebenen als einer besonderen sozialen
Gruppe förderten. Diese Feststellungen untermauern denn auch Statements von Vertriebenen in
Kenzingen, die Ernst Hauler 1986 festhielt95: HJ.: „Seitdem ich ein eigenes Haus habe, denke
ich nicht mehr an die alte Heimat" oder E.H.: „Die Pflege der eigenen Kultur hat aufgehört,
als sich die Männer in hiesigen Vereinen verausgabten. Die Kinder verstehen noch unseren
Dialekt, sprechen ihn aber nicht mehr. "

Wie das letzte Zitat zeigt, schlössen sich Vertriebene nicht nur eigenen Organisationen an,
sondern traten in Kenzingen auch anderen Vereinigungen wie etwa dem VdK bei96. Prominentes
Beispiel für eine Doppelmitgliedschaft ist der BVD-Vorsitzende Walter Krall, der in
den 1950er-Jahren als Schriftführer des VdK fungierte97. Vertriebene wurden auch Mitglied in
Sport- oder kulturellen Vereinen, die sie teilweise selbst mitbegründeten. Etwa wurde am 28.
März 1953 unter Führung von Paul Schulz ein Kenzinger Ortsverband des „Arbeiter-Rad- und
Kraftfahrbundes Solidarität" gegründet, dessen Vorsitzender er wurde98. Der geborene Ostpreuße
Schulz war vielfaltig aktiv, unter anderem im GB/BHE und im BVD, wo er der Vertreter der

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