Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
37. und 38. Jahrgang.2017/2018
Seite: 221
(PDF, 59 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2018-37-38/0223
rückreicht. Sie findet sich dann vor allem in der neutestamentlichen Briefliteratur.
Auch in den frühen Jahren der Reformationszeit war sie keineswegs singulär, sondern
eine von Theologen wie Laien verwendete Gattung, die sich an bestimmte
Personen wie an einzelne Gruppen oder an ganze Städte richten konnte. An der
Spitze derer, die Trostschreiben verfassten, stand Martin Luther, von dem etwa
hundert Trostbriefe überliefert sind.

Der Brief der Straßburgerin bedeutete mehr als ein notgedrungener Ersatz für eine
persönliche Begegnung mit den Kenzingerinnen. Die Möglichkeit zum schriftlichen
Austausch überbrückte nicht nur die räumliche Distanz, sondern auch
die Zeit. Der Trostbrief konnte stets erneut gelesen werden, nicht allein von den
Adressatinnen, sondern auch noch nach Jahrhunderten wie in diesem Fall. Zwar
brauchte der Brief zu seiner Abfassung und Zustellung Zeit, aber er gewährte
auch Zeit: Zeit zum wiederholten Lesen, Bedenken und Verinnerlichen.

Sich für diese Lektüre Zeit zu nehmen, war für die Empfangerinnen gewiss erforderlich
, mussten sie sich doch zunächst in die biblisch bestimmte Denk- und
Argumentationsweise der Verfasserin hineinfinden. Katharina Zells Vertrautheit
mit der Heiligen Schrift sowie die daraus entspringende Fülle an alt- und
neutestamentlichen Zitaten, die sie anführte, dürften für die Frauen nicht leicht
nachvollziehbar gewesen sein. Dabei handelte es sich keineswegs um eine bloße
Zitierung von Schriftstellen, die sie zum Teil aus dem Gedächtnis wiedergab, aber
auch mit Angabe der Fundstelle versah. Die Zitate wurden vielmehr in den Kontext
des Briefes verwoben sowie auf die Situation bezogen. Dabei fallt auf, dass
die Autorin nicht auf das konkrete Hintergrundgeschehen um Jakob Otter eingeht.

Ihre Umgangsweise mit der Bibel macht auf den heutigen Leser einen eher befremdlichen
Eindruck. Die Häufung biblischer Zitate war jedoch ein Stilmerkmal
vieler Flugschriften, die von nicht akademisch gebildeten Personen geschrieben
wurden. Außerdem lässt sich vermuten, dass Katharina Zell als Seelsorgerin den
Frauen von Kenzingen „ eine Hilfe zur Selbsthilfe mit der Bibel geben wollte. Sie
sollten in ihrer Not in die Selbstauslegung der Heiligen Schrift hineinkommen und
tiefer in das Gespräch verwickelt werden, das die einzelnen biblischen Schriftsteller
untereinander führten. "[6]

Hinter dieser Auffassung steht eine zentrale Aussage Martin Luthers zur Bibelhermeneutik
: „Die Heilige Schrift ist ihr eigener Ausleger. Allerdings brauchte es

[6] Christian Möller, Katharina Zell (1497/98 - 1562). „Kirchenmutter" von Straßburg, S. 46-63. In: Peter
Zimmerling (Hg.), Evangelische Seelsorgerinnen. Biografische Skizzen, Texte und Programme, Göttingen
2005, S. 59.

[7] Helmar Junghans, Ulrich Köpf, Karl Stackmann (Hgg.), D. Martin Luthers Werke. Weimarer Ausgabe,
Abteilung 4, Teil 1: Frühe Schriften und reformatorische Hauptschriften, Band 7, Weimar 2003, S. 97.

221


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2018-37-38/0223