Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
39. Jahrgang.2019
Seite: 93
(PDF, 34 MB)
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Wenn mein Boss heute noch leben würde, dann würde ich sagen: Ja, ich bin deutsch,
aber... wenn ich in Frankreich bin, bin ich französisch.

Piedade: Als mein Vater [1999] aus Kenzingen zurückkehrte, ließ er uns die deutsche
Staatsbürgerschaft annehmen. Ich und mein Bruder, die ganze Familie hat jetzt einen
deutschen Pass. ... auch alle aus Alices Familie...

Piedade: Auf dem deutschen Konsulat in Rio sagte man uns, dass wir nach den Papieren
bereits als Deutsche geboren wurden. Nun hat jeder die deutsche Staatsbürgerschaft
. Und mein Vater war so glücklich! Seine Enkel mit einem deutschen Pass!

Ich brauche keinen deutschen Pass, weil ich Europäerin bin. ... Ja, Kenzingen ist so
etwas wie Heimat. Ich stimme zu.

Sie berichten vor Jugendlichen von ihrem Leben und dem Schicksal Ihres Vaters
. Was ist Ihnen dabei wichtig? Was sollen die jungen Leute aus Ihrer Geschichte
lernen?

Toleranz ist sehr wichtig. Andere so zu akzeptieren, wie sie sind. Ich weiß, das ist
nicht einfach. Ich habe mit einem Amerikaner gelebt, das ist schon eine ganz andere
Kultur. Und wenn ich sehe, wie der Antisemitismus heute wieder zurückkommt: Was
wissen die Leute über die Juden? Warum sollen Juden anders sein? Die Menschen
müssen wissen, dass Juden ganz normale Menschen sind, die ganz normal leben, dieselben
Träume und Ziele im Leben haben wie jeder andere. Warum hassen die Leute
die Juden? Du musst tolerant sein und die Unterschiede akzeptieren und darfst nicht
sagen: Meine Kultur ist besser als deine. Du darfst Menschen nicht dazu zwingen,
sich zu ändern. Wie man aus unserer Geschichte sieht, waren wir eine große Familie
mit großem Zusammenhalt. Plötzlich verteilten wir uns wegen des Krieges und der
Verfolgung über die ganze Welt und hatten viele Jahre so gut wie keine Verbindung
untereinander.

Piedade: Die jungen Leute müssen wachsam sein mit all den neuen totalitären Regierungen
auf der Welt. Sie müssen aufpassen, weil sich die Welt in eine schlechte
Richtung bewegt.

Es könnte wieder anfangen. Hass ist nichts Gutes, das kann nicht das Ziel im Leben
sein. (Ich glaube auch nicht an den Individualismus. Heute interessieren sich die Menschen
dafür, dass sie tun können, was sie wollen. Ohne Rücksicht auf andere, ohne
Verantwortung für andere zu übernehmen. Daran glaube ich nicht.) Ich glaube daran,
dass man Verantwortung übernehmen muss für die Gruppe, mit der man zusammen
ist, in der man lebt.

Ich weiß nicht, ob ich etwas erreiche, wenn ich den jungen Menschen meine Geschichte
erzähle. Hilft es Ihnen, die Welt besser zu verstehen? Ich weiß es nicht. Aber
ich hoffe es.

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