Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
39. Jahrgang.2019
Seite: 162
(PDF, 34 MB)
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gen des hochbetagten Gastes, der Sohn Elie mit Gattin, Alice Dreifuß Goldstein,
sowie seine Nichte Irene Epstein De Cou und deren Ehemann waren von dieser
Begegnung beeindruckt. Dass sich auch private Kontakte über diesen Tag hinaus
ergaben, ist der Erwähnung wert. Einige Jahre danach kam Alice Goldstein erneut
in ihre Heimatstadt (Abb. 3, Seite 81). Als Tochter des einheimischen Kaufmanns
Siegfried Dreifuß und seiner Ehefrau Gretel Valver, die in der Brotstraße ein Manufakturwarengeschäft
betrieben, musste sie mit der Familie 1939 aus Deutschland
flüchten.

Frau Goldstein arbeitet heute wissenschaftlich als Demografin zusammen mit ihrem
Gatten Professor Sidney Goldstein an der Brown-University in den USA. Es
war ihr ausdrücklicher Wunsch, mit jungen deutschen Menschen ins Gespräch zu
kommen. In der Aula des hiesigen Gymnasiums kam es zu einem anregenden und
lebhaften Gedankenaustausch. Ein Gewinn für alle, die dabei gewesen sind. Wie
nachhaltig das Bildungsbedürfnis der jüdischen Familien war, lässt sich ablesen
in den Schülerlisten der damaligen Höheren Bürgerschule bzw. Realschule Ken-
zingen, erstellt von Anton Wild. Bis 1925 wurden 57 jüdische Jungen und Mädchen
in die Eingangsklassen der Schule aufgenommen. Das schulische Einzugsgebiet
erstreckte sich damals über die Kernstadt hinaus bis in die Kaiserstuhl- und
Rheingemeinden: Endingen, Eichstetten, Riegel, Rust. Seit Jahren hat Annegrete
Keßler (Riegel) sich mit enormem Forschungseifer der Sache angenommen. Sie
nennt auch die Familie Moses Dreifuß, bis in die 20er-Jahre wohnhaft in der Offenburger
Straße 9*. Von den vier Kindern, die alle in die USA ausgewandert sind,
mag der Sohn Moritz seiner Heimat am innigsten verbunden gewesen sein. Davon
zeugen seine bewegenden Gedichte, die noch viele Jahre nach seiner Auswanderung
(1936) in der „Badischen Zeitung" zu lesen waren.

Eine künstlerische Spurensicherung

Subjektive Bekenntnisse, poetische Bilder, Gleichnisse, Stichworte und Notate
über die Freuden und Leiden einer verletzten Seele hat die jugendliche jüdische
Lyrikerin Selma Meerbaum-Eisinger, eine Cousine von Paul Celan aus Cerno-
witz, hinterlassen, bevor ihr kurzes Leben mit 18 Jahren zu Ende ging. Sie starb
im SS-Arbeitslager Michailowska/Ukraine an Typhus. In ihren Gedichten in
deutscher Sprache schrieb sie über ihre aufwühlenden Erlebnisse. Eingebettet in
die biografischen Abläufe des qualvollen Alltags berichtete sie ihrem Freund in
hellen Tönen der Freude und dunklen Klängen der Trauer. Über allem schwingt
die Hoffnung: „Ich möchte leben. Ich will nicht sterben." In spannungsreicher

Anmerkung der Redaktion:

* Laut Auskunft von Klaus Hämmerle, heutiger Besitzer, gehörte das Anwesen seit 1895 Moses
und Henriette Dreifuss. Sie vererbten es ihrem Sohn Moritz. Der wiederum verkaufte es 1936 an
seine Schwester Betty. Josef Hämmerle, der Vater von Betty Wolf geborene Dreifuss. Adressen von
Nachkommen gibt es aktuell nicht, auch nicht von Familiennachkommen Weil, Am Rossmarkt 23.

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