Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
40. und 41. Jahrgang.2020/2021
Seite: 103
(PDF, 44 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2021-40-41/0105
Empörung über das Verhalten gewisser Landsleute

Häufig wird in den Berichten darüber geklagt, dass Deutsche und Elsässer sich
an Plünderungen beteiligt haben, dass Einheimische denunziert werden, dass es
Mädchen und Frauen an Würde gegenüber Angehörigen der Besatzungsmacht
fehle. Der mehrfach erwähnte Stadtpfarrer von Waldkirch verallgemeinert: Die
derzeitige Lage sei gekennzeichnet durch „ein tieftrauriges ebenso vom deutschen
wie vom religiösen Standpunkt beklagenswertes sich Wegwerfen eines großen
Teiles der weiblichen Bevölkerung, insbesondere auch an die Schwarzen".
Ehrloses Verhalten lasse sich weder mit „Lebenshunger" noch mit Not nach
sechs Kriegsjahren entschuldigen. Letztlich seien die 13 Jahre NS-Herrschaft für
die „Zerrüttung aller moralischen Bindungen" verantwortlich.

Entrüstung über ungezügeltes Verhalten von Frauen und Mädchen zieht sich wie
ein roter Faden durch die Berichte. Umso mehr fällt auf, was offensichtlich fehlt:
Einfühlungsvermögen der Seelsorger für das Los Vergewaltigter. Frauen mussten
sich schicksalhaft entscheiden, wie sie mit dem brutal gezeugten Kind umgehen
sollten. Abtreibung stand unter harter Strafe und galt als schwere, in der Beichte
aber wohl vergebene Sünde9. Wurden Gemeinden gebeten, ledige Mütter und
deren Kinder in Einrichtungen der Pfarrei ausdrücklich willkommen zu heißen,
ihnen Halt zu schenken, sie aufmerksam und rücksichtsvoll zu begleiten? Da der
Autor sich nicht erinnert, in den Berichten ein Wort dazu gelesen zu haben, muss
die Blindstelle unerklärt bleiben.

Vom Leben in den Pfarreien und...

Die vom Ordinariat gewünschten Erwägungen zur Lage im Pfarrort luden die Berichterstatter
zu Überblicken ein. Evakuierungen haben manche Gemeinden für längere
Zeit aufgelöst. Waren tagsüber Bombenabwürfe, Jabo- oder Artilleriebeschuss
zu fürchten, wurden die Gottesdienste in die frühen Morgen- und in die Abendstunden
verlegt. Die Predigt, von deren Inhalt selten die Rede ist, fiel dann aus.

Daheim und in der Kirche wurde viel gebetet. Bei akuter Gefahr versammelte man
sich im Luftschutzkeller des Pfarrhauses; auch Protestanten haben in den Rosenkranz
eingestimmt. Gelübde unterstrichen das Gebet: Bleibt unser Dorf verschont,
wollen wir wirklich den Sonntag heiligen, jährlich gemeinsam die und die Messe
feiern, den und den Wallfahrtsort aufsuchen. Christen in Bombach gelobten am
8. Dezember 1944 für den Fall, dass sie und ihre Heimat gerettet würden, nach
dem Krieg zu mehreren Gnadenorten zu pilgern; an einem von ihnen wollten sie
dann ein Votivbild aufhängen mit der Inschrift „ Maria hat in grösster Kriegsnot
geholfen"(Abb. 3 bis 5). - Mehrere Gemeinden sind im Sommer 1945 unter starker
Beteiligung der Bevölkerung nach Maria Sand (bei Herbolzheim) gepilgert.

9 Auf Befragen teilte ein Kaplan zu Anfang der 1960er Jahre der Mutter des Autors mit, er lege Frauen,
die eine Abtreibung gebeichtet hatten, als Buße eine Wallfahrt auf, eine zu der Zeit wenig geübte Form
der Frömmiigkeit.

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