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Ereignisse, zu denen die Gemeinde nur einmal im Jahr zusammenkam, werden
ausfuhrlich geschildert: Die Feier der Erstkommunion war 1945 am Weißen
Sonntag (8. April) vielerorts wegen drohender oder gerade überstandener Kämpfe
nicht möglich; sie zu verschieben, kam dem Wunsch von Müttern entgegen:
Vielleicht wäre bis dahin der Vater, der Bruder, der Pate... heimgekehrt? Mit
ausdrücklicher Billigung der Besatzungsmacht haben Gemeinden die Fronleichnamsprozession
am 31.5.1945 zu einer Befreiungs- und Freuden-, Triumph- und
Treuefeier ausgestaltet. Waren die Glocken verfugbar10, durften sie endlich wieder
geläutet werden.
Oft wird der Religionsunterricht erwähnt; während der unseligen NS-Zeit hatte
der Pfarrer ihn in vielen Gemeinden nur in der Sakristei erteilen dürfen. Stolz
blickt mancher auf das Ergebnis von Kollekten und der Caritassammlung, vor
allem aber auf den „Sakramentenempfang": Viele Gläubige gingen regelmäßig
zur Beichte und zur Kommunion. Zusammenfassend mag es dann heißen, das
religiöse Leben sei in der Gemeinde aufgeblüht.
... sogar zaghaftes Miteinander über Grenzen der Konfessionen hinweg
Die Not hatte Offnungen erzwungen. War die Kirche der einen Konfession zerstört
, bot da und dort die andere ihr Gotteshaus den Mitchristen zur Feier ihrer
Gottesdienste an. Mancherorts blieb es nicht bei ökumenischem Tasten. 1944 und
1945 waren erschreckend viele Opfer von Krieg, Gewalt und Unfall zu beklagen
. Nun kam es gar vor, dass auf dem katholischen oder auf dem evangelischen
Friedhof Gefallene in einer Feier von den Pfarrern beider Konfessionen bestattet
wurden. Wahrscheinlich haben die Umstehenden das Vaterunser dann gemeinsam
gebetet. In den Berichten wird das freilich nicht erwähnt; 1944/45 war das fast
revolutionär.
An Sonn- und gebotenen Feiertagen sollte nach dem Hauptgottesdienst für „das
Wohlergehen des Deutschen Reiches und Volkes" gebetet werden. So hatte es das
Reichskonkordat von 1933 in Artikel 30 bestimmt. Dieses Gebet wird in keinem
der vom Autor durchgesehenen Berichte erwähnt; offensichtlich ist es sang- und
klanglos dem Vergessen anheimgefallen, auch in anderen Bistümern.
10 Während des Krieges hatten rüstungswichtige Güter abgegeben werden müssen. Nach Kiegsende
konnten manche Gemeinden ihre nicht eingeschmolzenen Glocken von großen Lagerplätzen heimholen.
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