http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2021-40-41/0123
Dem Erlebnis „Meer" der Deutschen entsprach das Erlebnis „Schwarzwald, Kaiserstuhl
und Bodensee" (Abb. 10 und 11) der Franzosen. Wenn auch dem französischen
Kunstempfinden der Barock im Schwarzwald mit St. Peter und mit Birnau am Bodensee
etwas fremd ist, so waren die Triberger Wasserfälle, die Pfahlbauten in Unteruhldingen
und die Mainau ein Ausgleich. Dem mondänen Spielcasino in Cabourg
stand Baden-Baden in nichts nach. Uberhaupt bewegte man sich auf den Spuren der
Römer in Badenweiler, Riegel und Basel sehr gerne. Und noch lieber kehrte man
anschließend in den Wirtschaften im Schwarzwald und am Kaiserstuhl fröhlich ein
nach intensiven Ausflügen und Besichtigungen. In bleibender Erinnerung sind eine
Kutschfahrt durch die verschneite Winterlandschaft in Hinterzarten, Breisach mit seinem
Münster mit dem Meister Hans Loy und dem Blick über den Rhein und zum
Kaiserstuhl, die romantischen Orte wie Burkheim, wo das Duftuniversum des Kräuterhofes
besonders faszinierte, eine geführte „Gässlewanderung" durch Endingens
Schlupfwinkel oder auch der schmucke, blühende Friedhof in Wyhl, wo wir das Grab
eines verstorbenen Kursteilnehmers besuchten. Wie unterschiedlich ist die Friedhofskultur
beider Länder! Einen großen Reiz übten auch die Weihnachtsmärkte und das
Nikolausbrauchtum hierzulande aus, nicht zu vergessen die völlig unbekannte Feier
der „Fasnet" von Kenzingen und Endingen. Ein Freiburg - Tag durfte natürlich bei
keinem Austausch fehlen.
Immer wieder tauchte die amüsant-bedauernde Frage auf, wenn man z. B. die Burg
Lichteneck (Abb. 12) oder das Heidelberger Schloss in Augenschein nahm, ob es
denn wirklich notwendig war, all diese Burgen zu zerstören. Dafür wollte man dem
„Sonnenkönig Ludwig XIV." das nächste Mal in Versailles etwas strenger begegnen!
Nicht so leicht plaudern ließ es sich, als man in Kenzingen bei einer Stadtfuhrung auf
die sogenannten „Stolpersteine" vor den Häusern der deportierten Judenfamilien in der
Brotstraße und auf das Mahnmal von Gurs bei der Trauerhalle aufmerksam machte.
Mit großem Interesse verfolgten die französischen Partner die Ausfuhrungen der
Deutschen, als es um die Person von Jose Cabanis ging, der in Frankreich als
Schriftsteller und Mitglied der Academie Fran£aise eine bedeutende Rolle spielte
und der in seiner Jugendzeit während des 2. Weltkrieges als Fremdarbeiter (siehe
„Die Pforte 2005", Seite 111) viele Monate in Kenzingen zubringen musste.
Über diese Zeit schrieb er ein Buch, das leider noch nicht übersetzt ist, in dem er
seine Erlebnisse hier vor Ort schildert und eine hohes Lied auf die Kenzinger und
besonders die Kenzingerinnen anstimmt, die ihm oft an Mutters Stelle über die
schwere Zeit hinweghalfen (siehe „Die Pforte 24. u. 25. Jahrgang 2004/2005").
Die komplizierte Verquickung von wohlwollenden Bürgern und Nazis in schwieriger
Zeit und die Frage nach Schuld, Ursachen in der Vergangenheit und nach
einem dauerhaften Frieden in Europa legte er in seinem Buch nieder mit dem
Titel: „Les profondes annees", „Die tiefgreifenden Jahre".
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