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Kreuzpunkt der Achsen ragt die Brunnensäule mit der hochgestellten Figur des
Stadtgründers empor, will sagen, Rudolf II. von Usenberg steht im Mittelpunkt
seiner Stadt, umjubelt als Stifter und verherrlicht als absoluter Regent. Ein
durchaus herzergreifender Gedanke, der sich aber verflüchtigt, wenn man den
Befund genauer untersucht.
Aus dem Herzen gesprochen hätte ein solcher Interpretationsansatz gewiss auch
dem Architekten Friedrich Arnold, Bruder des vorerwähnten Christoph Arnold. Sein
Name ist insofern eng mit Kenzingen verbunden, als er im Zuge der verheerenden
Brandkatastrophe des Jahres 1814 den Wiederaufbau der Stadt in die Wege leitete.10
Bei aller Nüchternheit und Pragmatik, die sein Beruf ihm abverlangte, maß er
vielen seiner Entwürfe einen hohen symbolischen Stellenwert zu. So verband er
mit der Wiederherstellung des Breisacher Radbrunnens nicht bloß einen Zweckbau
sondern ein Denkmal von übergeordneter Bedeutung für das ganze Land. Worte
einnehmender Poesie, die ebenso für unseren Brunnen Gültigkeit beanspruchen
könnten, brachte er für eine großgeschriebene Inschrift in Vorschlag:11
„ Ein schönes Bild der Gnade unsres Fürsten
ist dieses Brunnens Unversiegbarkeit. "
Arnolds Wiederaufbauplan von Kenzingen und die für ihn von Geometer
Joseph Köhle ins Reine gezeichnete Bauaufnahme der Brandstätten geben uns
zugleich Auskunft über die damals am Orte vorhanden gewesenen Brunnen. Es
gab deren in der Hauptstraße drei: zwei Röhrenbrunnen in polygonalem, aber
nur sechseckigem Umriss, sowie einen kreisförmigen Schöpfbrunnen. Sehr
wahrscheinlich waren es Relikte aus mittelalterlicher Zeit, wobei zu bemerken
wäre, dass man mitunter für die Tröge sogar Holz verwendete. - Sollte das in
Kenzingen der Fall gewesen sein, wo sie durch den Brand Schaden genommen
haben könnten? Offensichtlich mussten sie ersetzt werden. Geboten war es,
steinerne anfertigen zu lassen, sofern nicht angesichts der leeren Stadtkasse
wohlfeile Beckengewände von irgendwoher zu beziehen waren. Tatsächlich gibt
es einen sicheren Aktenhinweis auf „ das Erfordernis neuer Behälter " aus dem
Jahr 1822, als verfügt wurde, die Brunnenleitung zu erneuern.12 Zur Formgebung
wird nichts gesagt. Kontroversen zwischen dem Stadtrat und dem in Kenzingen
ansässigen Bezirksamt, dann auch Streitigkeiten zwischen den beiden beauftragten
Steinmetzen - Schilling(er) von Emmendingen und Jakob Meier von Bombach -
führten zu keinem uns Gewissheit gebenden Ergebnis. Leider schränkt auch die
begrenzte Laufzeit des Aktenfaszikels, auf den wir am Schluss dieses Aufsatzes
noch einmal zurückgreifen werden, unsere Wissbegier ein.
So zwingend der Vergleich des Kenzinger Üsenbergbrunnen mit dem Freiburger
Bertoldsbrunnen ist, so viel Gemeinsames sich in der Tat beobachten lässt, muss
uns die Frage begleiten, ob er in der uns vertrauten Gestaltung tatsächlich schon
zum Stadtjubiläum im Jahr 1824 erstellt wurde. Auch ohne die verführerische
Jahreszahl wäre man auf den ersten Blick durchaus geneigt, den Brunnen als
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