Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
42., 43. und 44. Jahrgang, Jubiläumsband „775 Jahre Stadt Kenzingen“.2022-2024
Seite: 114
(PDF, 79 MB)
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übrigen abheben. Außerdem sind die P-Initiale zum Weihnachtsintroitus (Puer
natus est nobis)34 und die I-Initiale zu Johannes Evangelista (In medio ecclesie)35
historisiert. Die erste zeigt - wie im Wonnentaler Graduale - die Geburtsszene
Christi, letztere bildet den Evangelisten Johannes ab.

Die fast flächendeckende Übereistimmung der Verteilung und Hierarchisierung der
Eingangsinitialen spricht dafür, dass nicht nur die Abschrift, sondern die gesamte
Konzeption des Wonnentaler Graduale mit Einbezug der nicht-historisierten
Fleuronneeinitialen in Wonnental selbst zustande kam. Beim Schreiben des Textes
wurde der entsprechende Raum für die Initialen freigelassen, diese wurden also
bei der Abschrift bereits mitgedacht und wurden womöglich in einem zweiten
Arbeitsschritt im Kloster selbst angefertigt. Die historisierten Initialen hingegen
stammen vermutlich aus einer - bislang nicht identifizierten - externen Werkstatt.36

Beide Codices, das ältere und das Wonnentaler Graduale, weisen Nachträge von
gleicher Hand und Korrekturen des 15. bis 17. Jahrhunderts auf, die in beiden
Handschriften identisch vorgenommen wurden.37 Auch wurden im älteren
Graduale Heiligenfeste nachgetragen, die im Wonnentaler Graduale integriert
sind.38 Trotz dieser weitgehenden Übereinstimmungen der beiden Handschriften
gibt es auch einige Unterschiede: Beispielsweise finden sich im älteren Graduale
vereinzelt Erläuterungen und Anweisungen zum Abhalten der Messe, die im
Wonnentaler Graduale nicht übernommen wurden.39 Besonders erstaunlich ist,
dass das 1318 vom Generalkapitel für verbindlich erklärte Fronleichnamsfest im
älteren Graduale nicht nachgetragen und auch kein Verweis an entsprechender
Stelle eingefügt wurde. Trotz dieser Unterschiede lassen die weitgehenden
Übereinstimmungen darauf schließen, dass beide Handschriften bis ins 17.
Jahrhundert in Wonnental genutzt und auf dem neusten Stand gehalten wurden.

Das Kloster verfügte folglich über zwei inhaltlich fast identische Codices
zum Abhalten des täglichen Ritus. Diese Tatsache hebt den repräsentativen
Charakter des Wonnentaler Graduale hervor: Mitte des 14. Jahrhunderts bestand
offensichtlich keine pragmatische Notwendigkeit für ein neues Graduale - es war
ja bereits eines vorhanden. Während das ältere Graduale Wonnentals Anfang als
Zisterzienserinnenkloster markiert und aus einer Zeit stammt, in der der Konvent
vermutlich noch klein und wenig vernetzt war, ist das Wonnentaler Graduale ein
Ausdruck der Blütezeit, die das Kloster 100 Jahre später erreicht hatte. Wonnental
ist nun finanziell und wirtschaftlich gut aufgestellt, hat zahlreiche Beziehungen
und Netzwerke aufgebaut und ist vermutlich auch personell gewachsen. Im
Wonnentaler Graduale spiegelt sich dieser Wohlstand, das Selbstbewusstsein des
Konvents und seine Vernetzung mit der Umwelt, die wiederum anhand der sog.
„Stifterfiguren" einen symbolischen Anteil an der zisterziensischen Gemeinschaft
hat.40

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