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waren an Kenzinger Bürger*innen vermietet.38 Das hintere Gebäude wurde
hingegen hauptsächlich als Unterkunft für reisende Handwerksgenossen genutzt.
Die Verpflegung der beherbergten Gesellen wurde dabei von den Zünften selbst
übernommen.39 Eine mögliche Erklärung für die geringe Anzahl an Zunfthäusern
könnte in der allgemeinen Größe der Stadt liegen. Denn im Vergleich zu den
großen und bedeutungsvollen mittelalterlichen Städten am Oberrhein, wie z.B.
Freiburg und Straßburg, handelt es sich bei Kenzingen um eine vergleichsweise
kleine Stadt. Dementsprechend kann auch von einer geringeren Einwohnerzahl
ausgegangen werden. Zusätzlich waren nicht alle Bürger in Handwerksberufen
tätig, weshalb vermutet werden kann, dass in den Zünften oftmals nur wenige
Mitglieder zu finden waren und deshalb keine weiteren Zunfthäuser gebraucht
wurden.
Wie auch in anderen Orten versuchten der Kaiser und die Landesherren die Macht
der Zünfte immer stärker einzuschränken oder sie sogar vollständig abzuschaffen.
Dieser Prozess setzte in Kenzingen bereits 1696 ein. Dies zeigte sich unter anderem
dadurch, dass die Stadtverwaltung versuchte, einen Anspruch auf die Einkünfte
der Zünfte durch das Schankrecht zu erheben, was einer starken finanziellen
Schwächung der Zünfte entsprochen hätte.40 Da die Zünfte ihre erlangte Macht
nicht wieder abgeben wollten, versuchten sie sich gegen die städtischen Übergriffe
zu wehren. Dies führte allerdings dazu, dass sie ihre eigenen Zunftordnungen
immer stärker vernachlässigten, wodurch es zu einer zunehmenden Lockerung des
Zunftwesens kam.41 Um dem anschwellenden Verfall entgegenzuwirken, erließen
die Zünfte immer neue Verordnungen und Reformen. Als Beispiel kann hier die
Erneuerung der Metzgergerechtigkeit aus dem Jahre 1798 angesehen werden.42
Bereits 1790 wurde das Zunfthaus zur Unterbringung des österreichischen
Militärs genutzt und 1819 die Zunftwirtschaft vollständig aufgelöst. Schließlich
kaufte die Stadt am 4. Dezember 1819 das Gebäude, wodurch die Zünfte eines
ihrer wichtigsten Prestigesymbole verloren.43
Das Ende der Zünfte läutete schließlich die Französische Revolution ein, welche
die Gewerbefreiheit mit sich brachte. Durch das Gewerbegesetz von 1862 wurden
die Zünfte schließlich aufgelöst und durch die modernen Innungen ersetzt.44 Ein
möglicher Grund für die geringe Anzahl an zünftigen Quellen in Kenzingen
könnte sein, dass sie bei Kriegen zerstört oder geraubt wurden.45
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