http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2024/0174
Stutzig macht hier, dass über einhundert Jahre nach ihrer Auflösung die Wonnentaler
Abtei als vormaliger Aufstellungsort angegeben wird ohne Erklärung, wie das
Stück eigentlich in den Besitz der Verkäuferin gekommen ist, die ja offenbar in
Kenzingen oder der unmittelbaren Umgebung ansässig war. Üblicherweise sind
bei Objekten, die aus aufgehobenen Frauenklöstern stammen und etwa von den
pensionierten Nonnen als Privateigentum mitgenommen worden sind, die meist
familiären Wege der Tradierung auf die nächste(n) Generation(en) oder die
Weitergabe an sonstige Personen bekannt bzw. erschließbar. Beispiele dafür liefern
etwa verschiedene Inventarstücke aus Unterlinden in Colmar und aus Adelhausen
in Freiburg i.Br., aber auch jene Wonnentäler Krippenfiguren aus dem Ende des
18. Jahrhunderts, welche, wie Engelbert Krebs 1912 nachvollziehbarerweise
dargelegt hat, in den Besitz seiner und einer anderen Familie gelangt sind38. Dass
ein solch legitimierender Nachweis bei der Madonna fehlt, ist auffallend.
Ob die von Dr. Schwörer „auf dem Speicher" der ehemaligen Klosteranlage
aufgefundene Figur eines Hl. Johannes Evangelista auf die Zeit der Abtei
zurückgeht, muss offen bleiben. So sind die Klosterbaulichkeiten nach der
Säkularisierung und Aufgabe der darin eingerichteten Fabrik parzellenweise
verkauft und zu Wohnzwecken genutzt worden, so dass auch eine spätere
Einbringung des Stückes in Anschlag gebracht werden muss. Abgesehen davon,
ist über die Fund- und Erwerbungsumstände nichts bekannt. Die Angabe von
Krebs, dass die Figur durch Schwörer „vor dem Verbrannt werden bewahrt"
worden sei, könnte auf die Auffindung in Bauschutt oder im Kontext mit altem
Bauholz hindeuten.
Die „um 1500" anzusetzende Figur des Hl. Johannes Evangelista im
Augustinermuseum in Freiburg i.Br. wird dem wohl in Straßburg gebürtigen
Bildschnitzer Hans Wydyz zugeschrieben, der erstmals 1496/1497 in Freiburg
als pildhower nachweisbar ist und dort bis um 1514/1516 tätig war (datierte
Werke 1505, 1510). Im Hinblick auf die städtische Konkurrenz durch andere
Bildhauer und des ebenfalls außerhalb der Stadt herrschenden Bedarfs an
Schnitz werken, wäre es durchaus verständlich, wenn dieser auch in der
Umgebung der Breisgaumetropole Aufträge ausgeführt haben sollte. Größe,
Ausrichtung und Haltung der Johannesfigur weisen auf die ursprüngliche
Aufstellung im Schrein eines Altarretabels. Dass dieses Bildwerk dabei, wie von
Zinke erwogen, „gemeinsam mit einer Statue des namensgleichen Täufers ein
Muttergottesbild flankiert haben" könnte, „wie es das wenig frühere Flügelretabel
der Lautenbacher Wallfahrtskirche, 1483, in unveränderter Gestalt noch heute vor
Augen fuhrt"39, wäre bezüglich einer Madonnengestalt als Zentralfigur tatsächlich
sehr gut denkbar. Damit eröffnet sich zumindest die Möglichkeit, dass ein derartig
bestücktes Retabel zum Hauptaltar einer Kirche gehört haben könnte, welche
„Unsere Liebe Frau" zur Patronin hatte.
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