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Oberschenkel Mariens steht oder sitzt, sondern vor Anna stehend und größer als
die kindhafte Maria sowie mit seiner nackten Kehrseite zu den Betrachter*innen
gewendet dargestellt wird. Dabei lässt die Diskrepanz zwischen diesem lebensnah
wirkenden, ungewöhnlichen Motiv und der sichtlich unzulänglichen schnitzerischen
Umsetzung die Orientierung an einer Vorlage vermuten. Das Christuskind in ganz
ähnlicher Weise zeigt schon ein Kupferstich von Israhel van Meckenem aus dem
ausgehenden 15. Jahrhundert78. Allerdings ist hier Maria deutlich größer dargestellt,
zudem sind Mutter und Kind einander zugewandt und reichen sich die Hand. Es
dürfte demnach mindestens ein zwischen dem Stich und der Heimbacher Gruppe
stehendes Anna Selbdritt-Bildwerk gegeben haben, das bereits die kompositionellen
Abweichungen zur Graphik aufwies und dem Schnitzer als unmittelbares Vorbild
gedient hat.
Die Anna Selbdritt in Heimbach lässt sich werkstattmäßig mit einer in der
Sammlung des Erzb. Diözesanmuseums Freiburg i.Br. befindlichen, aus der
Pfarrkirche St. Vitus in Amoltern stammenden Pieta79 in Verbindung bringen, die
mutmaßlich aus der mittelalterlichen Vorgängeranlage des 1825 neu errichteten
Baus übernommen worden sein dürfte. So weist auch dieses Bildwerk die für
die Heimbacher Gruppe so charakteristische blockhafte Gestaltung mit kantiger
Faltenbildung und kerbschnittartigen Vertiefungen, aber auch eine Faltenwelle
am Boden auf. In der Art eng vergleichbar ist darüber hinaus eine in etwa
zeitgleiche, deutlich kleinere Anna Selbdritt unbekannter Provenienz, ebenfalls in
der Sammlung des Erzbischöflichen Diözesanmuseums80.
Hecklingen
In der Pfarrkirche St. Andreas in Hecklingen, deren Chor aus spätgotischer Zeit
stammt, haben sich drei spätmittelalterliche Bildwerke erhalten. Das älteste ist
eine kleine, modern gefasste Madonnenfigur, deren Kronen und das Szepter in
der Barockzeit oder später hinzugefugt worden sind (Abb. 12)81. Die Statuette
bildet das Zentrum des barocken Retabels in der Gnadenkapelle, welche an
das neuzeitliche Langhaus angebaut worden ist, und dafür spricht, dass es hier
einstmals eine - wenn auch nur lokale - Nahwallfahrt gegeben hat. Um 1900
war die Figur noch mit einer textilen Bekleidung versehen. Ein solche ist auch
für die Barockzeit belegt, wie dem Bericht von Conrad Burger zu entnehmen,
demzufolge bei der Plünderung der Hecklinger Kirche durch französische Soldaten
im Jahr 1675 u.a. auch „das mirculose Frauenbild aller Kleider beraubt' worden
sei82. Diese Erwähnung stellt zugleich den bislang frühsten Beleg zur Existenz
der Hecklinger Madonna dar. Die gerade, relativ starre und auf Vorderansicht
angelegte Marienfigur mit einfacher Gewandstruktur sowie das schematisch
geschnitzte Christuskind, welches haltungsmäßig weder einen Bezug zur Mutter
aufweist noch mit seiner Segensgeste auf die Betrachter*innen ausgerichtet
ist, zeigen stark formelhafte Züge, was an eine standardisierte, vielleicht sogar
serielle Anfertigung denken lässt. Typus und Größe weisen auf die Konzeption als
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