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und den dazu relativ großen Kopf, aber auch den recht geschlossenen Umriss und
die kaum sichtbare untere Hand am nächsten steht eine von der Kirchengemeinde
Leiselheim bei Sasbach am Kaiserstuhl erworbene Madonna im Badischen
Landesmuseum Karlsruhe98. Diese gibt auch das Kind in sehr ähnlicher Weise
mit der zur Mutter gerichteten Hand greifend, hier jedoch nicht das Ende des
Schleiertuches, sondern das einer ihrer langen Haarsträhnen fassend, die es
ebenfalls zu sich heranzieht. Spezifische motivische Übereinstimmungen bieten
zudem der stegartige Saum des Kleides am Haisauschnitt und der über der Brust
verlaufende tasselartige Stoffstreifen zur Schließung des Umhanges. Allerdings
ist das Haupt der Schwörerschen Madonna in einer sehr reizvollen Weise vom
Schleiertuch bedeckt und sind die Falten des Umhanges in einer anderen Weise
organisiert und straffer gestaltet. Auch zu den auffallenden Knicken in den
Faltenstegen gibt es bei der Karlsruher keine Parallelen. Gleichwohl erscheinen
beide insgesamt derart eng miteinander verwandt, dass für sie dieselbe Werkstatt
und eine zeitnahe Entstehung anzunehmen ist, was nicht die Herstellung von
einer Schnitzerhand bedeuten muss. In ihrem geschwisterlichen Verhältnis stehen
sie zudem deutlich näher zueinander als zur Madonna von Niedermorschwihr
im Musee d'Unterlinden in Colmar", welche als ein jüngeres Produkt jenes
(Colmarer oder Straßburger?) Schnitzereibetriebes angesehen wird, aus der auch
die Leiselheimer hervorgegangen sein soll. Von Interesse für das Muttergottesbild
der Sammlung Schwörer ist zugleich die gesicherte Herkunft der Karlsruher Figur
aus Leiselheim, die belegt, dass der Hersteller auch rechtsrheinisch tätig war oder
dorthin lieferte, was für erstere durchaus ebenfalls eine vormalige Verwendung in
der näheren Umgebung von Kenzingen möglich erscheinen lässt.
Offenbar nicht zur Sammlung Schwörers gehörend, jedoch Anfang des 20.
Jahrhunderts ebenfalls in Kenzinger Privatbesitz befindlich war die Figur einer
Heiligen (Abb. 20)100. Die Aufnahme Kratts zeigt das Stück noch im Zustand
vor der Restaurierung mit einer monochromen Uberfassung. Es fehlen der rechte
Unteram und der kleine Finger der linken Hand. Die ca. 100 cm hohe Statue
wurde erstmals von Zürcher 1919/1920 im Zusammenhang mit Schulwerken von
Simon Leinberger erwähnt und infolge von Schmitt 1924 als „Oberrhein, Ende
des 15. Jahrh." eingeordnet. Hinsichtlich des Figurentyps mit dem hochgegürteten
Kleid, den kleinen Brüsten, sowie dem Gesichtsschnitt, der Gestaltung der
Gewandfalten und der Haare ist das Bildwerk zweifellos jener Werkstatt
zuzuschreiben, welche die drei Figuren der Muttergottes und Hl. Genoveva (beide
1973 entwendet)101 sowie der Hl. Katharina (Freiburg i.Br., Augustinermuseum)102
zum Seitenaltarretabel der Pfarrkirche St. Sebastian in Altsimonswald gefertigt
hat. Demselben Hersteller wird zudem eine „Hl. Anna Selbdritt" in Waldkirch
(Elztalmuseum) zugewiesen, die den Uberrest einer in den Jahren 1476/1479
dokumentierten Altarstiftung der Waldkircher Stiftskirche darstellt103. Stilistisch
lassen sich diese Bildwerke auf elässischer Seite verbinden mit einer Madonna
und einer Hl. Genoveva in der Kapelle Saint-Nicolas im Barthenheim104.
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