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romanischer und gotischer Sakralbauten, in Mosaiken und Fresken, auch in der
Buchmalerei der mit erhobener Hand als Weltenherrscher (Pantokrator) imponierende
Christus überliefert. Selbst das auf dem Schoss der Gottesmutter thronende Kind
erhebt seine rechte Hand in diesem Sinne. Aus dem Gestus des umfassenden
Machtanspruchs, aber auch der Segensgebärde, leiteten die byzantinischen Kaiser
ihrerseits das Symbol der imperialen Herrschaft ab. Der oströmische Kaiser verstand
sich nicht nur als weltlicher Herrscher, sondern auch als Stellvertreter Christi, folglich
als höchste Instanz der Kirche. Im Westen entwickelte sich aus dem Reich Karls des
Großen das deutsche Königtum mit einem überregionalen Machtanspruch. So war es
dem König vorbehalten in der Jurisdiktion in letzter Instanz zu urteilen. Aus dieser
Position erteilte er den Reichsstädten, bedeutenden Klöstern und geistlichen Territorien
das Privileg des Blutbanns, das Recht des Hochgerichts, der Blutgerichtsbarkeit,
d. h. eines umfassenden Strafgerichts als Grundlage für die Vollstreckung von
Todesurteilen. Mit diesem Recht waren auch Einkünfte verbunden. Der Besitz des
Delinquenten stand demjenigen zu, in dessen Hoheitsgebiet die Hinrichtung erfolgte9.
Erstaunlich ist, dass dieses Strafrecht im Laufe des Hochmittelalters von lokalen
Autoritäten in Anspruch genommen und weitergegeben wurde. So übertrugen die
Üsenberger ihrer Stadt Kenzingen diesen ursprünglich nur dem König und den
Herzögen als seinen Stellvertretern zustehenden Rechtstitel10. Das Herrschaftssymbol
des Kenzinger (und des Waldkircher) Bannkreuzes lässt sich auf ein frühmittelalterliches
Hoheitszeichen des Königtums zurückfuhren: An der Vereinigungsstelle der Längsund
Querbalken ist die achtungsgebietend erhobene Hand vor einem schmalen
Kreuz dargestellt, das einem
Schwertknauf entspricht. War doch
das Schwert Zeichen der peinlichen
Gerichtsbarkeit*, die dem weltlichen
Recht und der weltlichen (Rang-)
Ordnung vorbehalten war10. Die
derart demonstrative Markierung des
Kenzinger Stadtrechts richtete sich
(bei unserem Bannkreuz) primär an
den aus dem Norden kommenden
Besucher. Folgerichtig zeigte die
Schauseite des Bannsteins mit
seinem Relief- im Gegensatz zur
heutigen Ausrichtung- stadtauswärts.
Im hochgotischen Chor der
Kenzinger Stadtkirche imponiert der
Schlussstein des Gewölbes aus der
Mitte des 14. Jahrhunderts, der auf
Abb. 8: Schlussstein im Chorgewölbe der Stadtkirche
St. Laurentius Kenzingen. Foto: Eberhard
Kimmi. 2019.
Alter Ausdruck für Strafgerichtsbarkeit mit Körperstrafen; von lat. Poena, Wikipedia.
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