http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2024/0282
Ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuung
in Kenzingen 2014-2019
Georg Fischer
Immer wieder flohen Menschen vor Kriegen, nahmen Strapazen und weite Wege
auf sich, und manche kamen schließlich nach Kenzingen. Die Pforte enthält im
6. Jahrgang (1986) auf den Seiten 59 bis 72 den Artikel von Ernst Hauler mit
der markanten Überschrift „ Jeder vierte Kenzinger ein Flüchtling, Vertriebener,
Umsiedler oder Aus Siedler ".
Ende 1991 begannen die Kontakte zu den vom Balkankrieg betroffenen Menschen
in Kroatien und Bosnien, die im 34., 35, und 36. Jahrgang (2014 - 2016) der
Pforte in einer Reihe von Artikeln beschrieben wurden, und die bis heute die
beiden Städte Kenzingen und Vinkovci verbinden. Im Balkankrieg suchten eine
Reihe von Menschen Zuflucht in Kenzingen, und über Jahre hinweg wurden sie
von einem ehrenamtlichen Helferkreis unterstützt. Allerdings war ihr Aufenthalt
befristet, und nach der Beendigung des Krieges kehrten die meisten zum Teil
freiwillig, zum Teil gezwungenermaßen in ihre Heimatländer zurück.
Ende April 2014 erhielt der DRK-Ortsverein Kenzingen einen Anruf: In Kenzingen
sei eine 6-köpfige Familie eingetroffen, die vor dem Bürgerkrieg in Syrien
geflohen sei. Wir (d.h. der damalige 1. Vorsitzende des Ortsvereins, Rudi Nadler
(t2022), und der Autor, damals Schatzmeister) besuchten die Neuankömmlinge
und starteten damit ein langandauerndes, ehrenamtliches Hilfsprojekt, das im
Lauf der nächsten fünf Jahre über 500 Menschen unterstützte.
Die Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und den Nachbarländern kamen in so
schneller Abfolge und so hoher Zahl, dass die Behörden zunächst nur das
Allernötigste bereitstellen konnten: Unterkünfte und Geld.
Rudi Nadler hatte aus der Zeit des Balkankriegs viele Erfahrungen mit geflüchteten
Menschen, und er schlug eine Reihe von Vorgehensweisen vor, die sich im
Nachhinein als angemessen und wirkungsvoll erwiesen. Mein Schwerpunkt lag
eher auf dem Umgang mit der „Aktenlage" der Geflüchteten und der schriftlichen
Kommunikation. Relativ schnell gründeten wir einen ehrenamtlichen Helferkreis,
zu dem Familienbetreuer, Lehrer/-innen und Dolmetscher gehörten, und dem in
der Hochzeit über 50 Personen angehörten. Ein Grundbaustein unseres „Modells",
wie wir es selbstbewusst nach außen nannten, war die weitgehend feste Zuordnung
jeder einzelnen Flüchtlingsfamilie bzw. -gruppe zu einem Ehrenamtlichen, der
der Hauptansprechpartner für alle Belange war. Wenn der Betreuer ein Problem
nicht selbst lösen konnte, fragte er andere Helfer oder zum Schluss einen von uns
im Leitungsteam.
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