Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
42., 43. und 44. Jahrgang, Jubiläumsband „775 Jahre Stadt Kenzingen“.2022-2024
Seite: 283
(PDF, 79 MB)
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Wir rufen den Notarzt, der nach einer Viertelstunde eintrifft und ganz schnell
entscheidet: In der Uniklinik wird er noch in der Nacht operiert. Er weiß nicht,
dass dies nur die erste von mindestens drei Operationen ist, inzwischen ist er
geheilt.

Der Interkulturelle Workshop

Nach den Strapazen der Flucht ist auch das alltägliche Leben in einem fremden
Land für die Geflüchteten oft sehr ungewohnt und schwer. Einmal im Monat
fuhren wir im evangelischen Gemeindehaus einen Workshop durch, bei dem
kulturelle Unterschiede vermittelt werden sollen. Die Abende sind meist gut
besucht, und die Deutschen gewöhnen sich mit der Zeit an Lärmpegel der
mitgebrachten Kinder. Die Reihe startet ein Moderator, der viele fremdländische
Begrüßungsrituale mit verteilten Rollen spielen lässt: Händeschütteln, vor die
Brust stoßen, Nasen reiben, geballte Faust an den Kopf - das finden alle sehr
lustig. Noch mehr Heiterkeit erzeugen wir mit dem Workshop zur Mülltrennung,
bei dem demonstrativ Kartons voller Mischmüll auf den gelben Sack, die
Papier- und die graue Restmülltonne verteilt werden. Der anschließende Film
über das Recycling von Aluminiumdosen macht dann aber doch Eindruck.
An einem anderen Abend behandelt ein Arzt medizinische Vorsorge- und
Notfallmaßnahmen. Er demonstriert die Herzmassage erst mit einem Helfer und
lässt dann andere Freiwillige üben. Die muslimischen Männer staunen nicht
schlecht: Muss ein Mann das etwa auch bei einer fremden Frau machen? Ja,
natürlich: bis aufs Unterhemd entkleiden und richtig tief drücken. Aber das geht
gar nicht! Wenn man es nicht richtig macht, dann stirbt die Frau. Geht es denn
wirklich gar nicht, ohne sie auszuziehen? Der Arzt zögert - schließlich hat er
eine salomonische Lösung: Drücken durch die Kleidung hindurch ist immer noch
besser als gar keine Herzmassage.

Das Multi-Kulti-Cafe

An jedem ersten Mittwoch im Monat laden Frauen der katholischen
Kirchengemeinde alle Flüchtlinge hier am Ort mit ihren Familien nachmittags zu
Kaffee, Tee und Kuchen ein. Dieses Treffen wird sowohl von den ehrenamtlichen
Betreuern als auch von vielen Flüchtlingsfamilien gern angenommen.

Eine Erinnerung an den Termin schadet allerdings nie. Es gibt im selben Raum
Kinderbetreuung mit vielen anregenden Spielen, Bastelangeboten oder einfach
nur Buntstiften und Papier. Ein Mädchen, das gerade in die Schule gekommen ist,
zeigt mir, wie schön sie schon ihren Namen schreiben kann, und sie versucht es
auch mit meinem. Sie spricht schon so wunderbar akzentfrei Deutsch, dass ich nur
staunen kann. Ihr zwei Jahre jüngerer Bruder ist fast eifersüchtig, wenn ich sie so
lobe und bewundere, wo er als Junge in der Familie doch sonst immer der Prinz ist.

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