http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2024/0286
das heißen? Bomb shell fragments. Siedend heiß fallt es mir ein: Bombensplitter.
Klar, er kommt aus Aleppo. Die umkämpfte Stadt wird jetzt fast jeden Tag in
den Nachrichten erwähnt, und er hat natürlich noch viel direktere Verbindung zu
seinen Leuten, die dort ausharren müssen oder sogar umkommen.
Der neugeborene Asylantragsteller
Ein Vater zeigt mir ein Schreiben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge
(BAMF): ... Sie vertreten das/die vorbezeichnete(n), minderjährigen(n), nicht
verfahrensfahige(n) Kind(er). Der Asylantrag des/der Kindes/Kinder gilt gemäß
§ 14a Abs. 1 bzw. Abs.2 AsylG mit dem 28.01.2016 als gestellt und wird unter
dem o.g. Aktenzeichen bearbeitet. Auf die Regelung des §14a Abs. 3 AsylG wird
hingewiesen. Danach kann der gesetzliche Vertreter des Kindes bis zur Zustellung
der Entscheidung des Bundesamtes auf die Durchführung eines Asylverfahrens
für das Kind verzichten, indem er erklärt, dass für das Kind keine Gründe geltend
gemacht werden, die das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaften nach § 3 Abs.
1 AsylG rechtfertigen bzw. dem Kind in seinem Heimatland kein ernsthafter
Schaden nach § 4 Abs. 1 AsylG droht. Allein der Verzicht auf die Durchführung
eines Asylverfahrens für das Kind schließt die Erteilung eines Aufenthaltstitels
z.B. aus humanitären Gründen durch die Ausländerbehörde nicht aus. Wir haben
den kursiv wiedergegebenen Text verschiedenen Bekannten gezeigt. Niemand
konnte ihn vollständig verstehen. Vor allem um das Wort Allein am Anfang des
letzten Satzes rankte sich aber eine tiefgreifende theologische Diskussion im
Sinne Luthers Allein durch den Glauben Allein die Schrift oder des Lieds
Allein Gott in der Höh' sei Ehr. Wir haben das Schreiben ignoriert. Die Familie
hat insgesamt den Flüchtlingsstatus erhalten. Die Behörden hätten sich mit einem
abweichenden Status des Kindes nur weitere Arbeit verschafft.
Die dritte Mahnung
Verschiedene Flüchtlingsfamilien erhalten Schreiben mit dem Titel „Ankündigung
der Zwangsvollstreckung " (Abb. 1) und zeigen sie ihren Betreuern. Deren Reaktion
bewegt sich zwischen einigermaßen ernster Besorgtheit, hellem Entsetzen und
seltenem, aber angemessenem Stoizismus. Beim genauen Lesen stellen sich nicht
bezahlte Wohnraumgebühren heraus, und die Betreuer reagieren mit Telefonaten,
präventiver Zahlung zur Fristwahrung oder Ignorierung des Schreibens. Die
Anrufe ergeben, dass das Jobcenter die Unterbringungskosten dem Landkreis
nicht - rechtzeitig - überwiesen hat, aber der Fehler sei erkannt und intern geklärt.
Im nächsten Monat kommt reihenweise ein ähnliches, etwas milderes Schreiben.
Die Sachbearbeiter in der Kreiskasse sind auch genervt - wegen der vielen Anrufe
-, aber es war nicht ihr Fehler, eine andere Stelle hat die Daten falsch eingegeben
beziehungsweise immer noch nicht korrigiert.
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