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waren prägende Momente für meine eigene ethisch-moralische Lebenshaltung
und mein gesellschaftliches Engagement.
Ich darf Sie, liebe/r Leserin, in Vergangenes entfuhren und kurze Einblicke
schenken: Dabei zu sein, wenn 4 Generationen einer jüdischen Familie, die
nunmehr in alle Welt verstreut lebt, in Kenzingen herzlich empfangen werden,
Erinnerungen teilen, das vormalige Elternhaus besuchen, das enteignet wurde,
viele liebgewonnenen Orte besuchten und am Ende des Besuchs einigen Frieden
mehr schließen und wir sagen können: „Wir sind einander ans Herz gewachsen".
Dabei zu sein, wenn die Fluchtereignisse aus Ostpreußen oder Rumänien
kommend mit viel Leid geschildert werden. Dabei zu sein, wenn Kinder
zurückbleiben mussten, den Eltern die Flucht unter großer Angst gelang. Dabei zu
sein, wenn in Kenzingen neue Flüchtlingsfamilien aus Kriegsgebieten ankamen,
sich integrierten, Anschluss suchten und Fuß fassten, Kinder mitten im Schuljahr
ohne deutsche Sprachkenntnisse Teil von Klassen wurden, und man sich als
Straßennachbarn gegenseitig traditionelle Köstlichkeiten austauschte, um sein
Land sich gegenseitig näher zu bringen. Dabei zu sein, wenn - aufgrund der
Kriegserlebnisse - alte Erinnerungen aufgrund eines Gesprächssatzes, Geruchs,
Geräusches hochkochten, sich plötzlich und unerwartet Gefühle in Angstzustände
verwandelten und durch ruhigen Zuspruch der Sicherheit etwas abgemildert
werden konnten (Abb. 2).
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Abb. 2: Ein historischer Tag: Primo-Druck liefert die erste Pforte zum 1. Historischen Altstadtfest
1981.
Dabei sein und mit meinen beiden jüngeren Schwestern mitanpacken, wenn es
hieß: die Briefe müssen gefaltet, kuvertiert und anschließend mit dem Fahrrad bei
den Mitgliedern der AgGL eingeworfen werden. Dabei sein, wenn das Stadtfest
anstand, der Stand des Vereins aufgebaut, mit den Buchwerken und allerlei
Kostbarkeiten bestückt und festlich dekoriert wurde. Der wechselnde Standdienst
brachte es mit sich, dass ich schon im Kleinkindalter live PR, Marketing,
Standgestaltung, Neu-Mitglieder-Gewinnung, kurze Autoren-Schriftleitungskor
rekturgespräche, Verkauf und Kasse, Nachbestellungen und hohe Besuche von
allerlei Persönlichkeiten mit Rang und Namen an unserem Stand mitbekam.
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