http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pietzsch1877/0066
00
Nein, die "Worte vom Sinai können nicht mehr in unser Jahrhundert
passen, nicht für den Kreis, zu dem ich hier spreche.
Und doch, was heisst denn „Du sollst Deinen Vater und
Deine Mutter ehren"; ich denke wohl, es heisst: „Du sollst
Deinem Vater und Deiner Mutter keine Unehren machen, Du
sollst sie nicht betrüben, nie erzürnen. Ein gutes Kind
muss folgsam sein, es muss seinen Eltern unbedingt gehorchen,
mögen sie gebieten was ihm schwer fällt, und nicht mit Murren
und finsterem Gesichte, nein mit freudigem Herzen, gern und
willig. Ist es nicht vorgekommen, dass Eure Eltern mit
Euren- Leistungen in der Schule unzufrieden waren, dass sie
Euch dringend baten, doch anders und besser zu werden? Ihr
versprachts, und wenn Hir nicht "Wort gehalten habt,, dann
habt Hir Eure Eltern nicht geehrt. Und wir sollen unsere
Eltern ehren nicht blos so lange wir sie brauchen, und weil
wir sie brauchen, wir sollen sie ehren um Gottes willen. ,
Gott hat sie uns vorgesetzt, damit sie seine Stellvertreter für
uns auf Erden seien. Ein göttliches Amt hat er auf sie gelegt
und hat die natürliche Liebe erklärt durch die Hoheit eines
göttlichen Berufs.
Und wir sollen sie nicht blos ehren so lange als wir sie
brauchen, wir sollen sie elu-en noch über's Grab hinaus. Denn
noch vom Grabe her strömt der Segen der Eltern auf die
Kinder! Ich habe Euch am Kaiser gezeigt: ,,Der Segen des
Vaters bauet den Kindern Häuser."
Ich hab' Euch das vierte Gebot zu erklären gesucht, um
Euch etwas mit auf den "Weg zu geben, wonach Ihr Euch
richten könntet. Es wird Euch im Leben manchmal vor-
kommen, dass Ihr unentschlossen steht und Euch fragt: „sollst
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pietzsch1877/0066