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Ein öffentlicher Vortrag des Herrn Grafen Adolf v* Poninski. 181
wohl noch eine solche, das Verschiedenste konterbunt
zusammenwürfelnde Vortragsweise ihre gewisse Berechtigung
oder Entschuldigung finden; aber das durch zwei bis drei
Menschenalter und deren einseitige Sinnen- und Verstandes-
Aufklärung für die volle Vernunft oder Vernehmkraft
rein geistiger Erscheinungen fast ganz entfremdete Volk
und Publikum, von welchem wir auch den gelehrten Stand
nicht ausschliessen, will erst wieder allmählich mit höchster
Vorsicht und Lehrweisheit zum volleren Verständniss dieser
Fragen erweckt, gewöhnt und erzogen werden. Dieses fast
allgemein herrschende Unverständniss über den wahren
naturwissenschaftlichen Sinn und die philosophische, soziale
und religiöse Bedeutung der spezifischen Geistfrage ist der
weitaufgähnende Klippenabgrund, über den der Vortragende
einfach gleich Harras dem kühnen Springer mit seiner vermeintlich
durch einige wissenschaftliche Citate schnell aufgezäumten
und gesattelten Rosinante wie auf Flügeln des
Pegasus hinwegsetzen zu können glaubte in der guten
Meinung, dass er selbst das jenseitige Ufer sicher erreichen,
und dass ihm auch seine Zuschauer unbedenklich mit gleich
kühnem Geistessprunge dahin folgen, und auch sofort schwören
würden, dassDulcinea „Geistfrage" das schönste Weib sei, weil
ja vor ihm viele namhafte Gelehrte und Hochgestellte einen
gleich kühnen Meinungssprung zu ihr hinüber gewagt haben.
Aber sein Anreiz zu einer derartigen ganz unvermittelten
Nacheiferung missglückte sichtlich bei den meisten, noch nicht
auf dem festen Sattel einer ähnlichen Ueberzeugung Sitzenden
; die Mehrzahl der Versammelten blieb grausend und
zaghaft vor dem noch klaffenden fürchterlichen Abgrunde:
„Sein oder Nichtsein, Geist oder Materie" halten und wendete
sich kopfschüttelnd selbst bei den glänzendsten Oitaten und
Beispielen eines angeblich glücklichen Gelingens und voll
erneuter Zweifel an der Sache hinweg. Referent beobachtete
dieses Resultat bei vielen, ihre Meinung pantomimisch
nur allzu deutlich kundgebenden Zuhörern mit tiefem Leidwesen
.
Es wurde ihnen offenbar Unmögliches zugemuthet.
Dem Volke muss eben erst eine bequeme und solide Brücke-
des Verständnisses über diesen Schwindel erregenden Ab
grund geschlagen werden, damit es sicher zu Fuss, und
vor dem Blick in die grausende Tiefe geschützt, darüber
hinwegkommen kann. Es ist nun Sache der betreffenden
Geistes-Ingenieure, diesen Abgrund vorerst selbst gründlich
auszuforschen und jeden Zoll breit irgend haltbarer Felsenvorsprünge
zum gediegenen Aufbau der Grundpfeiler der
über ihn hoch hinwegführen sollenden Hänge-Brücke analo-
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