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Zöllner: Meine Experimente mit Mr. Slade zu Leipzig. 439
und von unseren bisherigen Vorstellungen so sehr abweichend
, dass Wilhelm Weber und ich beschlossen, noch
andere Gollegen zu Zeugen dieser Phänomene aufzufordern.
Wir begaben uns daher am nächsten Tage (Sonnabend)
gegen Abend zu Professor C. Ludwig und theilten ihm das
Beobachtete mit; das lebhafte Interesse, welches uns gegenüber
Hr. Ludwig an den Tag legte, veranlasste mich, den
Vorschlag zu machen, noch zwei andere Gollegen einzuladen,
um am nächsten Tage (Sonntag d. 18. Nov.) in meiner
Wohnung sich von den erwähnten Erscheinungen in Gegenwart
Slade's zu überzeugen. Ich schlug meine Collegen
Hrn. Geh. Rath Thiersch (Chirurg) und Prof. Wundi (Philosoph
) vor. welcher Wahl Hr. Ludwig seine vollste Zustimmung
gab.
Am Sonntag d. 18. November Nachmittags 4 Uhr versammelten
sich die genannten Herren in meiner Wohnung.
Ich hatte mir am Tage vorher noch einen neuen Spieltisch
von Nusibaumholz aus der hiesigen Möbelhandlung von
J. G. Ritter*) angeschafft und denselben an Stelle des in
den vorher erwähnten Sitzungen benutzten Tisches in demselben
Zimmer aufgestellt. Die sämmtlichen Tafeln und
Doppeltafeln, welche Hrn. Slade zur Verfügung standen,
waren von mir selber und meinen Freunden in hiesigen
Handlungen gekauft und mit Zeichen versehen. An der
Sitzung nahmen nur Theil Hr. Geh. Rath Thier sch, Herr
Geh. Rath C. Ludwig und Prof. Wundt. Nach etwa einer
halben Stunde traten die genannten Herren aus dem Zimmer
; von den beobachteten Erscheinungen erlaube ich mir
nur anzuführen, dass nach Aussage des Hrn. Thier sch der
oben erwähnte Versuch mit meinem Taschenmesser gelang
und ausserdem zwischen einer Doppeltafel, welche Slade in
seiner Rechten über dem Tischrand vor aller Augen hielt,
drei Sätze in deutscher, englischer und französischer Sprache
geschrieben wurden, und zwar jeder in vollkommen anderer
Handschrift. Die Tafel ist noch heute in meinem Besitze
und gestattet daher jederzeit eine Untersuchung bezüglich
einer vorangegangenen Präparation.
Selbstverständlich soll durch die vorstehende Mittheilung
des Thatsächlichen in keiner Weise irgend ein Urtheil
über die Ursachen der beobachteten Erscheinungen bei
meinen Collegen präjudicirt werden. Denn ich befinde mich
in voller Uebereinstimmung mit dem Kaiserlichen Hofkünstler
Hrn. Bellachini, wenn er das Hm. Slade ausgestellte
Zeugniss mit folgenden Worten beginnt:
*) Leipzig, Kupfergässchen 6.
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