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Wittig; Ucber Sonntagskinder und Vorwiler.
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lieber Sonntagskinder und Yorwiler.
In „Nord und Süd" vom März J881 befindet sich eine
interessante Studie über „Sonntagskinder44 von dem
jüngst verstorbenen Schriftsteller Wilhelm von Hamm. Dieselbe
beginnt mit den Worten: — „Der Glaube an die
Einwirkung geheimnissvoller Verhältnisse auf die Geschicke
der Individuen ist wohJ beinahe so alt, wie die Menschheit
selber. So weit deren Tradition reicht, lässt er sich nachweisen
, oft nur in Spuren, dann aber wieder breit und deutlich
. Gewisse Zeiten, Tage und Stunden galten und gelten
von der Urzeit an bis heute für bevorzugte in irgend einer
Eichtling, ^uter oder schlimmer; manche Völker des Alter-
thums hatten die darüber unter ihnen herrschenden Meinungen
gewissermaassen in ein System gebracht, so namentlich
die Aegypter; in den römischen Oalendarien wurden
die bedeutungsvollen Tage, die sog. Loostage, ausdrücklich
als „ägyptische" dies aegyptiaci, bezeichnet. Bei Hebräern
und Griechen, insbesondere aber bei den alten Römern gehörte
die Kenntniss der Glücks- und Unglücks - Tage —
dies fasti et nefasti — sowie die Beobachtung der für sie
vorgeschriebenen Kegein zu den Uebungen des häuslich
religiösen Cultus, es sind darüber zahlreiche Aufzeichnungen
vorhanden. L. s. w." — Für uns hat der uralte Glaube ein
gewisses Interesse, dass es den an Quatember- oder sog.
goldenen Sonntagen (Andere glauben auch an andere Sonntage
, an die Weihnachtsnacht, an den Dreikönigstag,) geborenen
Sonntagskindern gegeben sein soll, alle jene Erscheinungen
der Zwischenwelt zu sehen, deren Anblick den
gewöhnlichen Sterblichen verhüllt ist. („Liberos istos omnes
Lcmures, omnia Spectra, omnia Phantasmata et Ludibria
Sntanae videre, quae aliorum aliis diebus natorum oculos
effugere alias dicuntur. — J. C. Merlin: „De ominosis diebus
Dominieis" (Jena, 1690 und Ii80.) So nannte z. B.
Johanna ri'Are, die Jungfrau von Orleans, welche bekanntlich
von den Engländern als Hexe verbrannt wurde, den
Tag Epiphanias (d. 0. Jan. 1412) ihren Geburtstag. —
Ueber das sog. Vor gesiebt berichtet unser Verfasser
Folgendes: — „Schreiber dieser Zeilen hat vor einigen
Jahren in einem abgelegenen Thale des südlichen Tyrols
einen sog. kVorwiU>r', d. i. fcZeitvorausbestimmer?, kennen
gelernt. Es war ein sehr alter Mann, welcher ganz allein
in einer halbverfallenen Holzhütte seitwärts vom Dorfe
hauste. Arm und ohne zu arbeiten, fristete er dennoch
ganz gut sein Leben, denn die Ortsnachbarn, obgleich sie
den Verkehr mit ihm mieden, liessen ihn doch an nichts
Mangel leiden. Aber sie betraten seine Hütte nicht, wie
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