Freiburger historische Bestände - digital

394 Psychische Studien. VIII. Jahrg. 9. Heft. (September 1881.)

ihren Zustand als visionär, clairvoyant, religiöse Ekstase,
so genügt das doch bei Weitem noch nicht zur Erklärung
der Thatsachen, die uns in ihrer Lebensgeschichte überliefert
worden sind. Wir müssen dem immerhin hinzufügen
, dass sie ungewöhnliche, ausserordentliche, menschlich
erhabene Eigenschaften, einen divinatorischen Geist, eine
seltene Vereinigung hohei Tugenden besass. dass sie ein
Genie, ja ein Phänomen wTar, welches bis heute noch nicht
ganz erschöpfend erklärt worden ist und bei dessen Betrachtung
wir mit Karl in Schillers Tragödie ausrufen müssen:
„Seltsam bei Gott! Höchst wunderbar und seltsam!""

Wir glauben, nur der moderne Spiritualismus ist
allein im Stande, das bisherige historische Räthsel von Johanna
! s wunderbaren Geisteskräften voll und ganz zu lösen.

Gr. C. Wittig.

Das Doppel-Bewusstsein der Miss Lurancy Vennum.*)

Seltsamer Fall von dauerndem Trance oder sog, Besessenheit

Von Dr. med. B. W. Stevens.

II.

(Fortsetzung von Seite 345.)
Es wird jetzt nothwendig, im Verlaufe dieses Berichtes
eine kurze Skizze des Lebens von

Mary Mojff

zu geben. Sie wurde als Tochter des Asa B. und der Anna
Roff am 8. October 1846 in Warren County, Indiana, geboren
. Die Familie zog im November desselben Jahres nach
"Williamsport im Staate Indiana, von da im September 1847
nach Middleport in Illinois, wo sie bis Juni 1857 verweilten,
worauf sie nach Victoria in Texas übersiedelten, woselbst
sie Hilfe für ein krankes Kind suchten. Im März 1858 kehrten
sie nach Gilnian zurück und blieben dort und in Onarga,
Illinois, bis zur Erbauung der Toledo-, Peoria- und Warsaw-
Eisenbahn, worauf sie nach Middleport am 8. November
1859 zurückkehrten und das erste Haus in der neuen Stadt
Süd-Middleport erbauten, welche jetzt ein Theil der Stadt
Watseka ist, woselbst sie noch wohnen.

Im Frühling des Jahres 1847 wurde Mary, als sie ungefähr
sechs Monate alt war, krank und hatte einen Anfall,

*) Entnommen dem „Religio-Philosophical Journal" zu Chicago
Vol. XXIV No. 22 u. 23 v. 3. u. 10. August 1878, dort unter dem Titel:
„The Watseka Wonder. A Startling and Instructive Chapter in the
History of Spiriritualism", und ins Deutsche übersetzt durch

die Eedaction.