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280 Psychische Studien. XII. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1885.)
Wochenjournals „Der Sprechsaal", das vom 1. October 1881
bis 30» Juni 1883 auf seine Kosten erschien, als Herausgeber
und Verleger einer Anzahl Uebersetzungen kleinerer
Schriften von Andrew Jackson Davis, dessen enthusiastischer
Schüler und Anhänger er bis zu seinem Tode war, und
anderer Denkgenossen, hat er sich durch sein stets opferfreudiges
Wirken in den Herzen Vieler ein dauerndes
Denkmal der Erinnerung errichtet. Seinem überreich mit
Blumen geschmückten Sarge folgte am 28. Mai Nachmittags
5 Uhr eine imposante Grabebegleitung vom Marktplatz
durch die Grimmaische Strasse hinaus zum Neuen
Johannis-Friedhofe, in dem seine sterbliche Hülle zur ewigen
Euhe gebettet wurde, nur wenige Abtheilungen vor Professor
Zöllners Grab. Als der begleitende Geistliche, welcher bereits
im Trauerhause eine wahrhaft spiritualistische und
trostreiche Rede voll Glaubenshoflnung über den hienieden
für so Viele sorgenden fleissigen und treuen Haushalter
auch für's Jenseits an die Hinterbliebenen und Mittrauernden
gerichtet, am Grabe di» Einsegnungsworte und das
Gebet des Herrn gesprochen, der letzte Gesang verhallt
war und die Trauernden ihm Erde und Blumen ins Grab
zu spenden begannen, da ereignete sich eine die nächste
Grabes-Umgebung höchst aufregende Scene, ähnlich derjenigen
am Grabe des Bischofs Ruuigier von Linz (vgl.
„Psych. Studien«, Januar-Heft 1886, S. 38 u. 39). Ein
etwa l?jähriges Mädchen, welches einen der dargereichten
Blumenteller hielt, trat unversehens fehl und stürzte in
das offene Grab hinab auf den Sarg. Augenblickliche
Hilfe brachte sie todbleich, aber allem Anschein nach heil
und unverletzt, aus ihrem höchst unfreiwilligen Grabe
schwebend wieder empor. "Wir halten dieses Ereigniss nicht
mit gewissen Leuten für ein Anzeichen des sich etwa auf
diese Weise drastisch melden wollenden Geistes unseres
verstorbenen Freundes, der schon im Leben viel zu gut-
müthig und Harmonie liebend war, um ein Mädchen in
dieser Weise noch im Tode zu erschrecken, sondern einfach
für einen an sich bedeutungslosen Unfall und Zufall, wofern
er nicht auf das Gemüth der näher Betheiligten allzu
störend nachwirkt. Wir gedenken des Hinübergeschiedenen,
der uns stets ein werther Freund war, in Liebe und
wünschen seinem ansterblichen Geiste den von ihm hienieden
so innig geglaubten und ersehnten Fortschritt uud
Wirkungskreis auf den Jenseitsgefilden des Sommerlandes
im ewigen Lichte! Gr. C, Wittig.
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