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420 Psychische Studien. XXXVI. Jahrgang. 7. Heft. (Juli 1909.)
schreibt in der „Istoria delle leggi e magistrati del regno
diNapoli*, vol. IX, pag. 4: Kommentar zur „Prammatica*)
de locato et condueto", veröffentlicht im Jahre 1587: „"Wenn
es sich zuträgt, daß der Bewohner eines Miethauses sich
unter großem Schrecken von den bösen Geistern, die man
in Neapel „Monacelli" nennt, verfolgt glaubt, so ist ihm
erlaubt, das Haus zu verlassen, ohne daß er die Miete bezahlen
muß." — In verändertem Tone freilich äußern sich
die französischen Rechtsgelehrten nach dem Jahre 1789,
sie sind die Söhne der Revolution und strauben sich gegen
die Annahme von Geistern und Gespenstern; hier sind wir
in der vollen Reaktion gegen die Dämonologie des Mittelalters
, das Teufelsvorurteil räumt dem materialistischen
Vorurteil den Platz. Troplong, der sich wie alle berühmten
Kommentatoren des französischen Rechtes, eingehend mit
der Frage beschäftigt, sagt ("„Deila permuta e della loca-
zionetf) über d. Art. 1702 des Zivilkodex Napoleon's I.,
pag. 197: „In der primitiven Einfalt ihrer Sitten rechneten
unsere Vorfahren unter den Begriff des entlastenden Ubel-
standes („vizio rebiditorio") das Erscheinen von Geistern
und Gespenstern in den Miethäusern; die alten Rechtsgelehrten
haben sich damit oftmals beschäftigt." — Er zitiert
sodann aus Charondas (Responsi, Lib. 7, 232N>: „Die Tatsachen
(Spukphänomene in einem Hause, derentwegen der
Mieter ^geführt hatte) ,yaren reichlich bewiesfn, nur
über das Recht waren die Meinungen verschieden." Einen
Urteilsspruch des Pariser Parlamentes vom 6. März 1576
zugunsten des Vermieters kommentiert er folgendermaßen:
„Der Gerichtshof zeigte große Klugheit, indem er die Geisterfrage
als der Religion zugehörend nicht entscheiden wollte."
Und im „Trattato sulla vendita" (pag. 548) führt er, nachdem
er die Beispiele des römischen Rechtes und Cicero's
in Erinnerung gebracht, einen Bericht über ein Spukhaus
von D'Argentree (über Brettagna, Art. 282) an und fügt
in einer Note bei: „Ich tadle D'Argentree nicht, der in
gläubigen Zeiten lebte. Männer von höchstem Verstände
haben an die Geister geglaubt; Plinius d. J. erzählt alles
Ernstes usw.*
Während das Pariser Parlament im ganzen die Aufrechthaltung
des Miet- und Kaufvertrages befürwortete, erklärte
das Parlament von Bordeaux sich konstant dahin,
daß Gespenstererscheinungen einen legitimen Grund zur
Aufhebung desselben abgäben. Die Ursache dieses abweichenden
Verhaltens dieser beiden Gerichtshöfe vermutet
*) Pragmatik, bezw.Landesverordnung über Mietverträge. —Eed.
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