http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1910/0432
428 Psychische Studien. XXXVII. Jahrg. 7. Heft (Juli 1910.)
Betrachtung über „die Palingenie vor dem Eichterstuhle der Vernunft
* hat Hübbe - Schleiden zu dem vorliegenden Werke beigetragen
, welches seinem ganzen Inhalte nach als eine zuverlässige
Einführung in den Okkultismus auf volle Beachtung Anspruch
machen darf. Wernekke.
Die Wünschelrute. Von Georg Eothe. Historisch theoretische Studie.
Jena, Eugen Diederichs, 1910. 118 S. 8°. Preis brosch. 2 M.
vRhabdomantiett — Rutenorakel — das klingt wie die Überschrift
zu einem Kapitel der Volkskunde, der es zwar an eifrigen
Liebhabern, aber auch an „streng wissenschaftlich" gerichteten Verächtern
nicht fehlt; Dr. Eothe hat es als wissenschaftlichen Ausdruck
eingeführt, und man wird ihm das Recht dazu nicht leicht
bestreiten können, da nachgerade die rhabdomantische Begabung
gewisser Personen („Sensitiver") ebenso wie die rhabdomotorische
Eigenschaft gewisser Substanzen wissenschaftlich erwiesen ist.
Nicht bloß in den mittelalterlichen Erzählungen, sondern in wissenschaftlichen
Abhandlungen, von Basilius Valentinus und Georg
Agricola bis auf Barrett und Franzius wird von der Wirkung der
Wünschelrute berichtet, und es handelt sich nicht mehr um die
Feststellung der Tatsachen, sondern um ihre Erklärung. Eine solche
gibt der Verf. in dem theoretischen Teile, der sich an den historischen
und den phänomenalen Teil seines Buches anschließt; und es
ist gewiß beachtenswert, daß nach seiner Darlegung die Aenßerungen
der rhabdomotorischen Kraft, die vom Baron v. Reichenbach beobachteten
und dem Od zugeschriebenen Erscheinungen und die
durch die neuesten Forschungen nachgewiesene Radioaktivität aufs
engste verwandt, um nicht zu sagen identisch sind. Zugleich wird
aber an Kotik's Theorie von der „psychophysischeu Emanation* (als
Substrat der unmittelbaren Gedankenübertragung) erinnert und auf
den Zusammenhang der rbabdomotorischen Erscheinungen mit dem
Kreise von Phänomenen hingewiesen, die man als somnambulisti-
sehe zu bezeichnen pflegt. Wernekke.
Die Mystik bei Schopenhauer. Von Dr. Jacob Mühlethaler.
Berlin 1910. Alexander Duncker's Verlag. 256 S. 8°. Preis geheftet
7 M.
Schopenhauer suchte seine Geistesverwandten unter den
Mystikern. Mit der Literatur der abendländischen Mystik war er
frundlich vertraut Persönlichkeiten wie Gautama Buddha, Meister
)ckhart und Johannes Tauier waren seine Ideale. Die Schriften
von Agrippa von Nettesheim. Paracelsus, Jakob Böhme, van Hel-
mont, Angelus Silesius und Swedenborg hat er vielfach benutzt;
unbegreiflich ist, wie er über Fichte, Schelling, Franz von Baader
u. a. so absprechende und bissige Urteile fällen konnte, da er doch
mit den Genannten in vielen Punkten verwandt war, ein wirklicher
Wahrheitsucher, ein Wertesucher und letzten Endes vielleicht ein
Gottsucher, das soll nicht heißen, daß seine Philosophie sich in
Mystik auflöse und er selbst aus der Reihe der Philosophen gestrichen
und zu den Mystikern gezählt werden müsse. Er ist aber
ein Beispiel dafür, wie ein Philosoph auf komplizierten, beschwerlichen
Umwegen schließlich doch auch nur da ankommt, wo der
die Wahrheit aus den unmittelbaren Quellen seiner Innerlichkeit
herausschöpfende Mystiker sich schon längst heimisch gefühlt hat.
Uralte ideale der Menschheit können Hand in Hand gehen mit
dem schärfsten wissenschaftlichen Denken. Der Verf. hat ein auf
gründlichem Studium der Schopenhauer'schen Philosophie und umfassender
Benutzung aller einschlägigen Schriften beruhendes Werk
geliefert, dessen Lektüre hohen Genuß gewährt. Wienhold.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1910/0432