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34 Psychische Studien. XXXIX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1912)
Büchner und H ae c k e 1 allerdings vermengen mit wissenschaftlichen
und experimentell nachweisbaren Tatsachen
Dinge, die ganz vom persönlichen Glauben abhängen.
Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele wird
freilich nicht, wie z. B. der pythagoräische Lehrsatz oder
das Fallgesetz, vom Staat unter die offiziellen Unterrichtsgegenstände
aufgenommen werden; aber vom Standpunkte
eines Menschen aus, der sich eine Welt- und Lebensanschauung
zu bilden sucht, braucht die Metaphysik oder
eine Religionslehre, die dem Fortleben der bewußten
Persönlichkeit einen Platz einräumt, keineswegs hinter einer
Lehre zurückzustehen, die dies ausschließt. Wie man aber
in diesem Reich der philosophischen Betrachtungen zu
zwingenden Beweisen kommen kann, vermag ich nicht zu
sagen; sonst wären ja alle Philosophen längst unter sich
einig. Auf diesem Gebiete gibt es so viele Zweifelsfragen,
daß man schließlich seine eigene Wahl treffen und Partei
ergreifen muß für die eine oder die andere Seite.
Von allen diesen Fragen ist die größte die, welche
sich am Ende aller Ergebnisse unserer positiven Wissenschaften
aufdrängt angesichts der unergründbaren Welträtsel
, als da sind: die Existenz des Gedankens und der
Welt, Ursprung und Natur des Lebens, das Problem von
Gut und Böse usw. Hier kreuzen sich unvereinbar die
von Renouvier trefflich sogenannten „Philosophien
der Person*, — die den Nachdruck auf das bewußte
Subjekt und seine Kräfte legen und demgemäß als logisch
und sittlich notwendiges Erfordernis die individuelle Unsterblichkeit
fordern, — und die „Philosophien der
Sache*, für die eine derartige Hypothese sinnlos wäre. —
Was den Monismus betrifft, so verkennt Flournoy
die Größe nicht, welche uns aus seinen Werken von Spinoza
bis Spencer oder Hartmann entgegentritt, gleichviel mit
welchem Namen sie ihr Idol bezeichnen: — Substanz, Kraft,
Natur, kosmische Energie, Idee, das Unbewußte, Wille zum
Leben, das Absolute, das Unerkennbare, das ewige Gesetz,
das »Ding an sich* etc.
Es liegt ein majestätischer Gedanke in dieser Lehre,
in welcher die anscheinende Vielheit des Universums in
eine letzte unteilbare Einheit zusammenfließt. „Man fühlt,Ä
sagt der Gelehrte, „eine Art geheimnisvollen Bann vor der
großartigen Erhabenheit dieses „Dings*, das sich in kalter
Ruhe abspielt, ohne Zweck und ohne Bestimmung, in der
Unendlichkeit von Raum und Zeit, eine Art sich wechselweise
erzeugendes und auflösendes metaphysisches Protoplasma
, mit einer blinden und unerbittlichen Notwendigkeit,
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