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694 Psych. Studien. XXXIX. Jahrg. 11. Heft. (November 1912.)
einem engherzigen dogmatischen Priester- oder Kirchentume restlos
aufgehen oder auch nur die Grenzen und Richtlinien ihier Ausbildung
finden könnten. Vielmehr liegt allen Religionen die Religion
zugrunde, wenn auch nur potentiell in der Weise, daß die verschiedenen
religiösen Bewegungen und Systeme die wesentlichen Momente
der Religion nach - und nebeneinander zum Aufdruck
bringen. Wer darum auf der Höhe steht und den Werdegang der
Menschheit zu überblickt-n imstande ist, kann nicht in einem dieser
Systeme das alleinseligmachende sehen, vielmehr wird er die prinzipielle
Berechtigung aller erkennen und von den einseitigen
"Tebertreibungen, abgehend aus allen zum Ausbau, zur Bereicherung
des ihm Anerzogenen das schöpfen, was dieses sein System nicht
in wünschenswerter Fülle und Präzision enthält Hierzu kann das
vorliegende Buch sehr gut dienen, das, durch die Sammellinse eines
der bestorientierten, in die Mysterien alter und neuer Zeit eingedrungenen
Geistes geschaut, Leben und Lehren der markantesten
Schöpfer auf religiösem Gebiete: Rama, Krishna, Hermes, Moses,
Orpheus, Pythagoras, Plato, Jefc>us darstellt und dabei vortreffliche
historische und soziologisch*1 und philosophische Milieuschilderungen
gibt, die er&t ein durchdringendes Verstäudnis der
Lebensarbeit jem>r grölten Führer der Menschheit ermöglichen.
Wer also in dem religiösen Suchen unserer Zeit einen Führer und
Berater braucht, greife getrost zu diesem Werke; er wird überragende
Einblicke in den Werdegang der Menschheit tun, sowohl
nach rückwärts, als auch nach vorwärts, und gerade dies Letztere
ist unserem Gesclilechte dringend zu wünschen. B. Roge.
Die Welträtsel im Lichte der neueren physikalisch-chemischen und astronomischen
Forschung. Betrachtungen eines modernen Naturforschers
von Prof. P. J o h. Müller, Zwickau i. S. Wien-
Teichen-Leipzig, Verlag von Karl Proehaska, 1912. 217 B. Preis
3 M.
Nach zwei Heerlagern strömen gegenwärtig die Gebildeten,
denen die starren kirchlichen Dogmen nicht mehr genügen: dem
Monistenbund mit Häckel, dem Begründer einer neuen Religion
„des Wahren, Guten und »Schönen" an der Spitze, und neuerdings
Osiwald [nicht Oswald, wie auf 8. 1 steht!] als Nachfolger. ..
hat sich vor wenig Jahren ein Keplerbund, begründet von dem
verdienstvollen Dennert in Godesberg, entgegengestellt, uer schon
gegen 8000 Mitglieder zählt und in erster Linie A'erbreitung ge-
.-?cherter naturwissenschaftlicher Kenntnisse erstrebt, damit das
deutsche Volk nicht mehr, wie bisher, kritiklos dem Atheismus
verfällt, der alle Bande der Moral lockert und lockern muß. Der
„Monismus" = Atheismus, zu dem sich auf der Naturforseherver-
sammlung in Kassel einst der Chemiker Ladenburg offen bekannte,
i^t, wie der belesene Verf. eingehend beweist, die Nachtseite der
Naturforschung, eine Frucht de«* »Spezialistentums, das den Blick
aufs Ganze verliert, der für eine der Wirklichkeit vollkommen
Rechnung tragende Weltanschauung unbedingt nötig ist Dieser
„Monismus**, dessen Medusenhaupt das menschliche Herz versteinern
k am, predigt klar und deutlich den brutal egoistischen Kampf
ums Dasein, wo mit eiserner Notwendigkeit der Stärkere ien
heb.wacheren erbarmungslos [Vivisektion ! quält, übervorteilt, ver-
f dgt, ja vernichtet. 8o ist es also ein nicht hoch genug zu
schätzendes Verdienst des Keplerbunde-, durch seine Zeitschrift
„Unsere Welt", durch Lichtbildervorträge (namentlich des unermüdlichen
Dennert) und durch praktische naturwissenschaftliche Kurse
im Godesberger „Keplerliau*" die Zeitgenossen gegen die Verfüh-
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