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20 Psychische Studien. XLV. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1918.)
solche können sie beihelfen zur Lösung mancher Rätsel. Hierbei
vergesse man aber nicht den Ausspruch unseres großen, hier zuständigen
Lehrmeisters Goethe: „„Das Schwierige bei der Natur
ist, das Gesetz auch da zu sehen, wo es sich uns verbirgt, und sich
nicht durch Erscheinungen irre machen zu lassen, die unseren
Sinnen widersprechen."" — Herr Dr. Böhm zeigt auch in diesem
Schriftchen seine ungeheuere Belesenheit in allen diesen Ma-
' terien. Seine Erklärungen sind recht modern und haben für die
meisten ein recht einschneidendes Gewand. Aber das weiter m
die Kenntnis der Materie eingedrungene Forschen muß oft hinter
Herrn Böhms Exkurse ein Fragezeichen machen. Sein dichterischer
Schwung reißt ihn mit fort - - einem Seher gleich sieht er
die Lebensrätsel schon gelöst und er erklärt und erkläit — — —
aber mit allen seinen Erklärungen bringt er den „Okkultismus" um
keinen Schritt weiter. —
Böhms „Studien zum Thema Lebensrätsel", die ich Seite
393 und ff. des Jahrganges 1917 das System des Okkultismus
nannte und von denen ich hoffte, sie werden in ihrer zweite»
Auflage „zum grundlegenden Handbuche des modernen wissen-
schaftlichen Okkultismus" werden, werden in der Neuerscheinung
in aphoristischer Weise — recht geistvoll — das gebe ich gern
zu — erweitert, — aber leider nicht ausgeführt.*)
Und darauf, auf „Ausführungen", kommt es dem Okkultismus
an. „Der Worte sind genug gewechselt; laßt mich auch
endlich Taten sehen!" Dies andere Wort Goethes scheint mir
hier mehr am Platze zu sein — a*s das vorerwähnte. Herr
Böhm verspricht in dem vorgesetzten Motto: in den Okkultismus
mit der Fackel der denkenden Forschung hineinzuleuchten und
w i r würden hell sehen. — Er arbeitet aber mehr als Hellseher
und will, daß wir die Fülle der Gesichte ihm als Wahrheiten abnehmen
sollen. Er nennt sie zwar bescheiden „Arbeitshypothesen"
— aber wo sind die Arbeiten, die er von jenen leisten lassen will?
Herr Böhm erklärt alles Okkulte mit „Strahlungen". — Aber
noch bringt er keinen Beweis für seine These. — Es ist ja wundernett
zu sagen: „Ohne Bedenken darf man die ßio- und Gedankenstrahlen
als vierte und fünfte Gruppe den Sonnen-, Radium
- und Röntgenstrahlen anreihen."
Hier stocke ich schon, — Ich habe Bedenken und recht
ernste Bedenken. Die unbekannten Strahlungen der Physik haben
als gemeinsames Kennzeichen: die Ladung eines Elektroskopes
rasch zu zerstreuen. An dazu geeigneten Elektroskopen ist kein
Mangel. Ich nenne nur die besten und allgemein als vertrauenswerte
Instrumente anerkannten von Elster und Geitel — Kolbe —
*) Kann in einer „vorläufigen Skizze" auch nicht erwartet werden!
— Red.
*
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