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98 Psychische Studien. XLIX. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1922.)
kreis beeinflußt, ergibt also ein selbständig bestehendes Bild,
das Objektivitätscharakter hat.
Ganz anders muß die Pseudohalluzination erklärt werden
. Hier ist es umgekehrt. Nach Kraepelin und Kahlbaum
handelt es sich hier um eine abnorme Erregung
des Vorstellungszentrums (3) (z. B. bei Wahnideen), wodurch
im Sinnes- oder Sehzentrum (2) ein Bild
entsteht, das nicht Objektiritätscharakter hat,
weil es zentrifugal entsteht. Es wird wohl
nach außen projiziert, aber reben der gewöhnlichen
Sinneswahrnehmung gesehen (nach
Berze ist die Pseudohalluzination eine Ausfallerscheinung
in den höheren Zentren, die
Halluzination dagegen nur ein Reiz in den
Fig. 4 niederen Zentren [Sinneszentren]). Interessant
ist es nun, diesen Beispielen noch die Vorgänge
beim willkürlichen Vorstellen sowie bei der Erinnerung
und beim 7"räumen gegenüberzustellen. Das Erinnerungsbild
muß ähnlich zustande kommen wie die Pseudohalluzination
, nur wird es nicht nach außen projiziert, ist
blaß, flüchtig. Kandinski nimmt zu semer Erklärung noch
ein Zentrum der abstrakten Vorstellungen (4) an.
Von diesem geht eine willkürliche Erregung aus, es wird
ein Reiz auf das Sehzentrum (2) ausgeübt, und nun wird
dieser Reiz auf das konkrete Vorstellungszentrum (3) übertragen
.
Dies erzeugt die lebhafte bewußte Erinnerung (bzw. das
bewußte Erinnerungsbild). Eine nicht sinnliche, mehr
schematische Erinnerung würde eintreten, wenn bei dem
Vorgang das Sehzentrum übergangen wird.
Von wo aus dieses abstrakte Zentrum erregt wird, ist
schwer zu sagen, logisch ist der Ausweg, den eine Anzahl
Okkultisten, z. B. Dr. med. Maack, zu einem aurischen Gehirnteil
nehmen. Jedenfalls liegt eine gewisse Hilflosigkeit in
dem Glauben der Gehirnphysiologen, indem sie organische
Teile nur durch andere organische Teile erregen lassen
müssen. Den Vorgang des Träumens erklärt Kandinski folgendermaßen
:
Das Zentrum 3 (konkrete Vorstellung) ist im Schlafe fast
untätig. Die Wahrnehmung der äußeren Eindrücke ist deshalb
fast ganz aufgehoben. Es findet aber eine Erregung
des abstrakten Vorstellungszentrums (4 = Willenszentrum)
statt, oder auch des Sinneszentrums (2) durch schwache
Sinneseindrücke, die umgeschaltet werden. Die resultierende
Vorstellung wird in 3 zwar wahrgenommen, da aber dessen
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