Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
52. Jahrgang.1925
Seite: 608
(PDF, 206 MB)
Bibliographische Information
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608 Psychische Studien, LH. Jahrgang. 10. Heft. (Oktober 1925.)

wenn sie in der üblichen Form erfolgen. Die voreilige Bemängelung
derartiger Aeußerlichkeiten wirkt in solchen Fällen hauptsächlich deshalb
peinlich und bedauerlich, weil sie geneigt scheint, die Naivität
des sich Gebens beim Medium zu untergraben.

Der Wert des Spiels von Anneliese Knösel-Volkmann ist naturgemäß
variabel. Sie hat ihre müden Stunden, in denen sich ihre Inspiration
nicht zu voller innerer Freiheit aufschwingen kann, und sie
stellen sich, was ja nicht verwunderlich ist, hauptsächlich dann ein,
wenn sie in einer ihr unbehaglichen oder unsympathischen Umgebung
spielen muß, wenn ihr das Instrument nicht zusagt oder das innere
Gleichgewicht ihr fehlt. Jeder, der mit Medien experimentiert, weiß
zur Genüge, daß die Chancen schwanken, und daß es wohl auch einmal
einen völligen Versager gibt. Aber die Versager sind bei Anneliese erfreulicherweise
nicht häufig, zumal sie seltener von Antipathien als
von Sympathien heimgesucht wird und im allgemeinen über ein bemerkenswertes
Anpassungstalent verfügt.

Als ich Anneliese kennenlernte, erging sie sich in ihrem Spiel
ausschließlich in freien Phantasien, und auch heute noch bildet
bei jeder Vorführung die freie Phantasie einen wichtigen Bestandteil
des Programms. Sie reiht, wenn sie in guter Stimmung ist, mit graziöser
Leichtigkeit Motiv an Motiv, bei jedem Einfall, der ihr kommt,
nur kurz und flüchtig verweilend und nur hin und wieder einmal einem
musikalischen Gedanken, einer Melodie, einem Rhythmus tiefer nachspürend
. Die Motive sind zumeist sehr melodisch, tragen teils den
Stempel Mozarts, teils den Beethovens, ohne in der Regel direkte Anlehnungen
aufzuzeigen. Die Fälle, in denen sich solche Anlehnungen
dann doch aufspüren lassen, sind oft ganz besonders interessant.
So hörte ich von ihr (übrigens von glänzend durchgeführten Variationen
begleitet) einmal das (bei Beethoven bekanntlich ebenfalls von Variationen
gefolgte) C-Dur-Thema des Mittelsatzes der G-Dur-Sonate
opus i!\, Nr. 2. Aber das Thema war so geistreich erweitert und sein
Schwerpunkt so völlig verlegt, daß sich der Gesamtcharakter gänzlich
gewandelt hatte und eine bewundernswerte Neuschöpfung entstanden
war. Natürlich zweifle ich trotz der Versicherung des Mediums, daß
sie die Sonate, die ich ihr noch an dem gleichen Abend vorspielte,
niemals gehört habe, keinen Moment daran, daß es sich hier um eine
Teil-Reproduktion gehandelt hat. Sie hatte, vielleicht vor Jahren einmal
, den Satz spielen hören und benutzte nun .das Motiv als Material
für ihr Spiel, Das Bewußtsein kannte die Sonate nicht; das Unterbewußtsein
kannte sie sehr genau. Ich betonte oben, daß Annelieses
bewußtes Merkvermögen recht kümmerlich ausgebildet ist, und muß
hier dieser Konstatierung hinzufügen, daß ich an ein sehr starkes,
unbewußtes Merkvermögen bei ihr glaube. Vermutlich geht
ihr nichts verloren von aller Musik, die sie mit dem Ohr aufnimmt,
und so verfügt sie im Unterbewußtsein über ein recht stattliches Archiv,
das ihr bei ihrer schöpferischen Tätigkeit jedenfalls außerordentlich
zustatten kommt.


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