Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
52. Jahrgang.1925
Seite: 675
(PDF, 206 MB)
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Hofmann: Goethesehe Jenseitsgedanken im Faust. 675

Leben. Auch deshalb können diese Schemen — oder die Urbilder alles
Gewesenen, alles Seienden, alles Zukünftigen, einerlei, wie man sie
nennen will — einen „anwesenden'' stofflichen Menschen nicht sehen.
Ihre Sinne — wenn sie welche haben — sind nur auf Vergangenes
und Zukünftiges eingestellt. Ein Gedanke von großartiger Tragweite!
Eine Parodie auf philosophische Anschauungen, die das Fehlen einer
Gegenwart lehren: Die Zeit fliegt so schnell, daß das, was eben noch
Zukunft war, im nächsten Moment bereits Vergangenheit geworden.
Also es gibt keine Gegenwart!

Jetzt begreift man erst den ganzen. Sinn des Ausrufes Fausts
(Szene IV, Auftritt I):

(170) Werd' ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! Du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!

Nun soll Faust auf den Dreifuß losgehen, ihn mit dem magischen
Schlüssel berühren, er wird davon angezogen und folgt als treuer Begleiter
in die Oberwelt. Weil das Reich der Mütter zeitlos ist, werden
diese nicht die Entführung des Dreifußes merken, Faust kann also
ungefährlich mit demselben aufsteigen. Angekommen, kann Faust die
Beschwörung der Helena vornehmen, indem er die Weihrauchwolken,
die er auf der Schale entwickelt, magisch behandelt.

Goethe verwies, wie wir oben sahen, den Eckermann auf den
Plutarch, dessen Schrift „über den Verfall der Orakel" er die Nachricht
über die Mütter verdanken wollte. Die bezügliche Stelle lautet:

„Nach der Annahme des sizilianisehen Pythagoreers Petron gäbe
es i83 Welten, die nach der Figur einer Triangel gesteilt seien, und
innerhalb des Dreiecks ein für alle Welten gemeinschaftlichen Herd,
# das Feld der Wahrheit, worin die Gründe, Gestalten und Urbilder aller
Dinge, die je existiert haben und noch existieren werden, unbeweglich
lägen, umgeben von der Ewigkeit, von der die Zeit wie ein Ausfluß in
die Welten hinübergehe."

Wie farbenreich klingt daneben Goethes Gedanke!

Er erregt den Herd durch den Dreifuß, der ja nur ein tragbarer
Herd ist — die unbeweglich liegenden Schemen läßt Goethe durcheinander
brodeln, ausgehend von dem Gedanken, daß nur Bewegung Leben
darstelle und ewige Ruhe den Tod bedeute.

Betrachtet man von diesem Standpunkte aus die Delphische Pythia,
die im Heiligtume des Apollo ihre berühmten Orakel spendete, so sieht
man die Schwaden, welche dem Spalte entsteigen, über welchem der
delphische Dreifuß und seine Pythia sich befinden, durch die Beschwörung
der Priester die Gestalten aller magisch gerufenen Zeugen
der Vergangenheit und der Zukunft annehmen müssen und dem Priester
Rede stehen. Die „Realität" der Orakel ist aus jenem „Dogma" erwiesen
.

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