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VORWORT.
Jeder Forscher auf dem anerkannt schwierigen und mühe vollen Gebiete der vergleichenden Anatomie des
Gehörorgans der Wirbelthiere hat gewiss die Ueberzeugung gewonnen, dass ein näheres Verständniss des so com-
plicirten Organs nur dadurch erhalten wird, dass die Untersuchungen möglichst weit über die verschiedenen Klassen
, Ordnungen und Familien dieser Thiere ausgedehnt werden. In der That sehen wir schon im vorigen Jahrhundert
Anatomen wie Geoffroy, Scarpa und Comparetti mit bewunderungswürdigem Fleiss die Wirbelthierreihe
in dieser Weise durcharbeiten. In unserem Jahrhundert begann E. H. Weber ein solches Werk mit einer, die
trefflichen Forschungen über das Gehörorgan der im Wasser lebenden Thiere enthaltenden Pars I, ohne jedoch die
vorgenommene Arbeit weiter zu verfolgen. Auch Pohl scheint ein solches Ziel vor Augen gehabt zu haben.
Dann hat besonders Breschet durch seine ausführlichen und ausgezeichneten Untersuchungen des Gehörorgans der
Fische, Vögel und Säugethiere unsere Kenntnisse dieses Organs in umfassendem Maasstabe erweitert. Ferner hat
Ibsen mit scharfem Blick und bedeutendem technischem Talent das Wirbelthierreich in dieser Hinsicht durchmustert
; von seinem Werke erschienen aber nur die Tafeln mit kurzen Beschreibungen. Weiter brachten die
trefflichen Forschungen von Deiters über das Gehörorgan der Amphibien und Eeptilien Licht in bisher wenig
bekannte Gebiete, obschon leider seine Arbeiten dann unterbrochen wurden. Endlich hat in den letzten
Decennien Hasse, theilweise in Verbindung mit tüchtigen Schillern, durch seine umfassenden und bis ins
feinste Detail ausgeführten Untersuchungen bei den verschiedenen Wirbeithierclassen, eigentlich die vergleichende
Morphologie und Histologie des Wirbelthiergehörs, vor Allem aber die der Vögel, Eeptilien und Amphibien,
begründet. Ihm gehört die Ehre, diesen schwierigen Theil der Wissenschaft aus dem Stadium des Schwankenden
und Unklaren in sichere Bahnen geleitet und zugleich einen reichen Schatz von positivem Wissen dargebracht
zu haben.
Als ich im Jahre 1871 meine Untersuchungen über das Gehörorgan der Wirbelthiere begann, waren nur
einige der Arbeiten von Hasse, und unter ihnen vorzugsweise die über das fragliche Organ der Vögel und Ba-
trachier erschienen. Ich legte mir schon damals den Plan einer die ganze Wirbelthierreihe umfassenden Arbeit
vor. In Folge anderer Forschungen aber konnte ich diesen Plan vor der Hand nicht zur Ausführung bringen,
sondern musste mich damit begnügen, eine Beschreibung des Gehörorgans der Knochenfische und einen vorläufigen
Aufsatz in der Histologie des betreffenden Organs sämmtlicher Wirbelthierclassen zu veröffentlichen. Da nun aber
mit der Zeit alle die trefflichen Arbeiten Hasse's erschienen, kam es mir überflüssig vor, genannten Plan zu verwirklichen
. Eine von mir bei den Knochenfischen und später auch bei den Plagiostomen gefundene, neue Nervenendstelle
aber, welche von Interesse zu sein schien, gab mir Veranlassung, ihr auch bei den übrigen Wirbelthierclassen
nachzuforschen und brachte mich hierdurch allmählig auf meinen mehrgenannten Plan zurück. Seit
1S7^ bin ich deswegen damit beschäftigt gewesen, die verschiedenen Typen des Gehörorgans der ganzen Wirbelthierreihe
zu studiren und diese Studien zu einem Ganzen zusammenzufassen. Um aber über die früheren Eroberungen
der Wissenschaft hinaus kommen zu können, war es nöthig, die vorliegenden Forschungen auf breiterer
Basis auszuführen und möglichst viele Bepräsentanten der einzelnen Ordnungen und Familien zu bearbeiten. Da
es zugleich von Wichtigkeit war, das zu untersuchende Material direct aus dem frischen Zustande in bester Weise
(Ueberosmiumsäure oder auch Müllersche Lösung) conservirt zu bekommen, habe ich verschiedene Plätze besucht.
In der Zoologischen Station an der Westküste Schwedens studirte ich Myxine glutinosa sowie Knorpel- und Knochenfische
; andere Fische erhielt ich bei einem Aufenthalt in Brighton sowie mittelst o-efällio-er Zusenduno- vou
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