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Ein derartig gebautes Nervenepithel zieht sich nun als ein ringförmiges Band rings um die Innenfläche der
Ampulle. Ich muss gestehen, dass ich Anfangs an den vollständigen Zusammenhang, an eine ringförmige Crista,
nicht recht glaubte; nach genauerer Untersuchung, die indessen Schwierigkeiten bietet, muss ich mich jedoch dieser
Angabe von Ketel anschliessen; an einigen Stellen scheint aber das eigentliche Nervenepithel sehr schmal zu sein,
indem nur sehr wenige Haarzellen in der Breite der Crista stehen; durch die nicht unbedeutende Zone des zu Cy-
linderzellen erhöhten, umgebenden, polygonalen Epithels erscheint das Nervenepithel auch bei schwacher Vergrösserungv
viel breiter als es ist. Eine Cupula terminalis oder eine sonstige Deckmembran konnte ich nicht finden.
Die hintere Ampulle trägt, wie oben erwähnt, in ähnlicher Weise an ihrer Innenfläche die Crista acustica
ampullcß posterioris (Taf. I, Fig. 1, 2, 5, S'-crp), welche ebenfalls als ein ringförmiges Band um dieselbe herumläuft;
sie geht auch etwas schief, indem ihre Längsaxe nach vorn-aussen gerichtet ist; an ihr sieht man auch unten
eine Schlängelung von vorn-aussen nach hinten-innen. Sie ist wie die Crista amp. ant. etwas verschieden breit,
am breitesten hinten und oben, am schmälsten unten. Ihr feinerer Bau stimmt so vollständig mit dem der Crista
amp. ant. überein, dass ich auf denselben nicht näher einzugehen brauche.
Der Inhalt des membranösen Gehörorgans, die Endolymphe, in welche die Haare hineinragen, ist wasserklar
und vollständig flüssig; sie gerinnt oder erstarrt weder in der Luft, noch nach Behandlung mit Ueberosmiumsäure
oder Müllerscher Flüssigkeit. An den nun beschriebenen drei Nervenendstellen verbreitet sich der Nervus acusti-
cus. Da mir die Art der Verzweigung desselben von besonderem morphologischem Gewicht erschien, suchte ich
dieselbe zu verfolgen. Vom Gehirn geht hinter dem Ursprung des Trigeminus (Taf. I, Fig. 10 tri) der Acusticus
jederseits mit zwei, Ganglien führenden Wurzeln (Taf. I, Fig. 5, 6, 10 ra, rp) hinaus; diese Ganglien, ein vorderes und
ein hinteres, welche unter sich getrennt sind (fj,fj), aber nahe an einander liegen, sind abgeplattet, von etwas dreieckiger
Gestalt; sie wenden sich sogleich nach hinten und senden ihre Nervenfasern, zu einigen Zweigen gesammelt,
nach hinten dem Gehörorgane zu. Es sind diese Zweige und ihr Verlauf folgende. Das grössere vordere Ganglion
sendet drei Zweige aus, welche nach der vorderen-inneren Partie des Gehörorgans ziehen ; die zwei schmaleren
dieser Zweige gehen, einer oben und einer unten, an die Crista amp. ant., um in ihr zu endigen; der mittlere breitere
Zweig wendet sich nach innen und breitet sich, dichotomisch getheilt, an dem Vorderende der Macula communis aus.
Das kleinere, hintere Ganglion entsendet zwei lange, schlanke, platte Zweige, von denen der vordere zweigetheilt sich
zur Mittelpartie der Macula communis begiebt; der hintere Zweig theilt sich in zwei, von denen der vordere sich
nach innen biegt, um, wiederum zu zweien getheilt, zwischen der Mitte und dem hinteren Ende der Macula communis
an letztere sich zu begeben; der hintere grössere Zweig geht gerade nach hinten, legt sich an die obere Seite
der Ampulla posterior, sendet einen kurzen Zweig nach aussen zu ihrer Crista acustica und läuft dann weiter nach
innen von dieser Crista und ihr parallel nach hinten um die hintere Partie der häutigen Wand des Gehörorgans herum
, sich etwas fächerförmig ausbreitend. Der grösste Theil seiner Nervenfasern wendet sich nach der Crista acustica
posterior und endet in ihr. Dies betreffs der Verzweigung und des Verlaufs der Acusticusäste. Es bleibt indessen
bezüglich des letzteren noch eine Frage zu erörtern übrig, nämlich das Durchtreten der Aeste durch die die Höhle
des Gehörorgans deckende fibröse Membran. Zwar habe ich ziemlich oft eine wechselnde Anordnung in diesem
Verhältniss gefunden, indem die Aeste bald etwas mehr vorne bald mehr hinten die Membran durchbohren. Im
ganzen möchte aber folgendes Verhältniss die Eegel sein (Taf. I, Fig. 6). Die drei Zweige des vorderen Ganglions
durchbohren die Membran an ihrem vordersten Ende, der erste oft in einem nach vorn in den Knorpel sich einschiebenden
Zipfel derselben, die zwei hinteren etwas mehr nach hinten zu. Die Löcher der Membran sind schmal,
spaltenförmig und gehen schief hindurch. Von den zwei Zweigen des hinteren Ganglions geht der vorderste ungefähr
in der Mitte der Membran oder etwas medial von der Mitte hindurch; von den zwei Aestchen des hinteren
Zweiges geht der kleinere etwa an der Grenze zwischen dem zweiten und dritten Theil der Membran durch dieselbe,
ein wenig medialwärts von ihrer Längsaxe, der grössere gewöhnlich in derselben Höhe, aber mehr lateralwärts hindurch
; die Durchtrittstelle des letzterwähnten Zweiges findet sich aber bald etwas mehr vorne, bald mehr hinten.
In Betreff des feineren Baues bestehen die beiden Ganglien und die Zweige des Acusticus aus Nervenzellen
und Nervenfasern mit sehr spärlichem, endoneuralem Bindegewebe und sind von einer lamellären Perineuralscheide
umgeben. Die Nervenzellen finden sich in beiden Ganglien in reichlicher Menge, liegen da dichtgedrängt an einander
, hie und da durch Nervenfasern g-etrennt. Diese Zellen sind von sehr wechselnder Grösse mit im Verhältniss
zur Zelle entsprechender Grösse der sphärischen oder etwas ovalen Kerne. Die kleineren Zellen sind an der Zahl weit
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