http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1881-1/0036
20
Sie liaben eine bolmenförmige, länglich-eirunde Gestalt, sitzen zu beiden Seiten der knorpeligen Schädelbasis, und
sind nur an der inneren, medialen Seite der letzteren als Auswüchse befestigt oder richtiger mit ihr innig zusammenhängend
; übrigens sind sie frei, nur von Weichtheilen (Fett, Muskeln u. s. w.) bedeckt. Ketel giebt die Massverhältnisse
der bohnenförmigen Kapsel so an: »Längendurchmesser 8 mm., Höhe 5 mm. und deren Breite fast
4 mm.» Diese Masse scheinen mir gar zu gross zu sein; möglicherweise können sie sich auf das Gehörorgan
von Petromyzon marinus beziehen. Bei den grössten, ganz ausgewachsenen Exemplaren von Petromyzon fluviatilis
fand ich folgende Masse: Längendurchmesser 3—3,5 mm., Höhendurchmesser 2,5 mm., Breitendurchmesser 2 mm.
In Betreff der gegenseitigen Lage der beiden Gehörkapseln ist, wie Ketel angiebt, die Convergenz derselben nach
hinten sehr unbedeutend oder kaum ersichtlich; hierdurch sowohl als durch die aufrechte Stellung unterscheiden sie
sich schon bei erstem Ansehen von denen der Myxine. Ihre mediale Fläche, welche der Medulla oblongata anliegt
und beinahe senkrecht steht, ist im ganzen eben; die übrigen Flächen sind mehr oder weniger gewölbt, die
laterale am wenigsten. Nur an der medialen Fläche ist der Knorpel unvollständig; hier findet sich in demselben
eine grosse, unregelmässig rundliche Oeffnung und nach oben davon, nur durch eine schmale Knorpelleiste getrennt,
eine kleinere Oeffnung; die letztere kann aber auch — und dies scheint oft vorzukommen — nur eine mehr oder
weniger durch seitliche Knorpelvorsprünge abgeschnürte Ausbuchtung der grösseren Oeffnung sein (Taf. III, Fig. 7m').
Bisweilen, sind statt einer oberen Oeffnung zwei noch kleinere vorhanden. Alle diese Oeffnungen sind vermittelst
einer straff ausgespannten bindegewebigen Membran gefüllt, welche Ketel mit vollem Recht als von der Dura ma-
ter gebildet ansieht; in der Membran der oberen Oeffnung findet sich ein ovales Loch, bisweilen auch zwei Löcher,
und durch den unteren Theil der Membran der unteren Oeffnung dringt der Nervus acusticus in die Ohrkapsel hinein
. Die Wand der knorpeligen Kapsel ist ziemlich dünn (im Mittel 0,12—0,22 mm.), ihre Dicke ist aber an verschiedenen
Stellen etwas wechselnd; im allgemeinen sind an ihr alle hervorstehenden Partien des häutigen Gehörorgans
durch seichte Gruben mit dieselben trennenden schwachen Firsten ausgedrückt. Die Kapseln bestehen aus
Hyalinknorpel mit sehr spärlicher Interzellularsubstanz in der breiten Mittenzone, wo die Zellen gross und rundlich
sind,' reichlicher aber in den Oberfiächenschichten, wo die Zellen klein, länglich und den Oberflächen parallel sind
(s. die betreff. Figur Ketel's). Beide Oberflächen sind übrigens von dünnen Membranen überzogen, die äussere mit
einem Perichondrium, die innere mit einem endothelialen streifigen Häutchen. Der von ihnen eingeschlossene Hohlraum
ist länglich oval mit dem Längendurchmesser beinahe sagittal gerichtet. In diesem Hohlraum liegen nun
jederseits, denselben fast ausfüllend, das rechte und das linke membranöse Gehörorgan. Zwischen der inneren Kapselwand
und der eigentlichen Wand des membr. Gehörorgans ist nur ein sehr beschränkter Spaltenraum, der perilymphatische
Raum, vorhanden; in diesem findet sich ein spärliches Gewebe, das perilymphatische, welches indessen
an verschiedenen Stellen eine verschiedene Mächtigkeit hat; im allgemeinen ist es an den hervorragenden
Partien des membr. Gehörorgans am dünnsten, nur aus einem endothelialen Häutchen mit spärlicher Faserstreifung
bestehend; in den Furchen und Gruben des Gehörorgans wird es aber etwas mächtiger, aus mehreren unregelmässigen
, endothelialen, streifigen und balkigen Häutchen zusammengesetzt, an denen grosse verzweigte Pigmentzellen
und Bindegewebsfasern vorhanden sind. Dass eine minimale Flüssigkeit in diesem minimalen Eaume sich findet,
sieht man bei der Abtragung der Kapselwand von dem Gehörorgan des eben getödteten Thieres.
Das membranöse Gehörorgan (Fig. 1—6) besteht aus einer im ganzen länglich ovalen Blase, welcher
beim Herausnehmen das perilymphatische Gewebe grösstenteils folgt; dieses Gewebe füllt zwar, wie eben erwähnt,
die Furchen des Gehörorgans aus, aber nicht ganz vollständig; obwohl also schon vor dem Wegpräpariren des fraglichen
Gewebes die Gestalt des Gehörorgans angedeutet ist, tritt sie aber erst nach der Abnahme desselben in ihrer
wahren Form hervor. Nach vollständigem Freipräpariren erscheint das membranöse Gehörorgan als eine höckerige,
länglich ovale, an den beiden Enden wie abgestutzte Blase von ungefähr 3 mm. Längen-, 2 mm. Breiten- und 2
mm. Höhendurchmesser. Man unterscheidet an ihm am besten nach Joh. Müller und Ketel folgende Theile:
ein Vestibulum, einen sackförmigen Anhang, zwei Bogengänge, eine Commissur, zwei Ampullen, jede mit zwei seitlichen
Abtheihmgen versehen, zivei mit dem Vestibulum zusammenhängende Röhrchen und endlich den Nervus acusticus mit
seinen Zweigen.
Das Vestibulum ist der grösste Theil des Gehörorgans, die mittlere Partie desselben einnehmend. Es besteht
aus einer, durch eine mediane Furche, Sülms frontalis Ketels, in zwei symmetrische Abtheilungen getheilten
Blase. Jede dieser beisammen liegenden Abtheilungen hat, besonders von oben gesehen (Fig. 4, 5 v, v, v, v), eine
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/retzius1881-1/0036