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Ketel hat sie offenbar mehrmals richtig gesehen. Die breiten, immer von einer Seheide umgebenen, fibrillären Axen-
cylinder der Nerven fasern dieser Zweige erweitern sieli allmählig, bald mehr, bald weniger, gewöhnlich aber im
ganzen unbedeutend, zu einer ausgestreckt spindeKörmigen Partie (Fig. 16). In der Mitte derselben findet man nun
einen rundlich ovalen Kern mit einem grossen Kernkörperchen, ganz vom Aussehen derjenigen einer Ganglien-
zelle. Es unterliegt in der That keinem Zweifel, dass wir hier eine Art Ganglienzellen vor uns haben. Sie erseheinen
aber mehr als irgendwo nur als erweiterte Axenevlinder. Die Fibrillirung der letzteren bann man bis
zur Nähe des Kerns verfolgen; hier aber tritt ein körniges Aussehen der Substanz auf. Es giebt indessen auch
Uebergangsformen zwischen diesen »Ganglienzellen» und den gewöhnlichen bipolaren, rundlich-ovalen Zellen.
Oben wurde bis jetzt der feinere Bau des membranösen Gehörorgans nicht berücksichtigt. Die eigentliche
Wandnno- desselben wurde von KETEL als eine im ganzen unditferenzirte, homogene, elastische, cuticulare Haut auf
gefasst; in dieser Beziehung kann ich mich dem geehrten Forseher nicht ganz anschliessen. Wie bei Myxine finde
ich auch hier die Labyrinthwand aus einer Anzahl dünner endothelialer Häutchen bestehend; diese Häufchen treten
schon am optischen Querschnitt durch eine parallele Streifung hervor, sie lassen sich aber auch zuweilen ziemlich leicht
von einander trennen; besonders nach Zerreissung der Wand sieht man oft an den Rändern die an verschiedenen
Stellen abgerissenen Häutehen frei flottiren. An diesen Häufchen findet man in ziemlich grossen Abständen ovale Kerne;
an den Häutchen selbst sieht man gewöhlich keine Struktur oder auch eine feine Punktirung, hie und da aber eine
äusserst feine Streifung, wie es so oft bei endothelialen Häutchen vorkommt. Die Wand ist, wie KeTEL anhiebt,
an den Firsten etwas verdickt, indem «las endotheliale Gewebe hier reichlicher wird; an einigen Stellen, nämlich
in dem Zapfen der Commissur und in der Llaphe der Bogengänge, hat, wie oben erwähnt, Ketel eine eigen-
thümliche Veränderung der Wandung beschrieben. Da die Schilderung dieses Forschers die Verhältnisse in ausführlicher
Weise behandelt, werde ich auf dieselben hier nur kurz eingehen. In die Mittellinie des Zapfens senkt sich
die gefaltete häutige Wand des Gehörorgans hinein und bildet dessen Axe; diese erseheint der Länge nach gestreift
und mit spindelförmigen Zellen versehen. Von dieser Axe schiessen dicht gedrängte, cylindrische Gebilde
von homogener zuweilen feinkörniger Structur radiirend hinaus; sie bilden durch ihre Aneinanderfügung einen
compacten Körper, an dessen Oberfläche die peripherischen abgerundeten Enden der Cylinder hervorragen und ihr eine
höckerige Beschaffenheit geben; auf dieser höckerigen Oberfläche steht nun das Cylinderepithel, welches die Gruben
derselben ausfüllt und durch die verschiedene Lange seiner Zellen die Oberfläche des ganzen Zapfens bildet. Auf dem
(Hierschnitt des Zapfens, welcher rundlich-nierenförmig ist, mit einer Furche längs dem Anheftungsrand der Labyrinth-
wand, sieht man die Cylinder durch eine feine, von letzterem Rande aus radiirende Streifung, welche ihren Grenzen entspricht
, angegeben. Auf dem Längsschnitt tritt ebenfalls eine solche Streifung hervor. Kerne sind in oder zwischen
diesen (Vlindern nicht zu seilen. In der Raphe der Bogengänge sind nun ähnliehe Verhältnisse vorhanden; von der
etwas verdickten Wand schiessen kleine, höckerige, unregelmässige Vorsprünge hervor, und auf denselben sitzt das Cylinderepithel
. In dem unteren knopfförmigen Vorsprunge der Crista frontalis sowohl wie in dem Eügel des sackförmigen
Anhangs sieht man ebenfalls eine Streifung, in jenem COncentrisch, in diesem radiirend; vielleicht hat man in diesen
Verdickungen eine ähnliche Structur zu linden. Der Aussenfläche der häutigen Wanduno- schliesst sich das die reichlichen
Blutgefässnetze und die Pjgmentzellen enthaltende, ebenfalls endotheliale, perilvmphatische Gewebe dicht an.
Die Innenfläche wird aber überall von einer im ganzen einschichtigen Epithelialbekleidung austapezirt. Meine Vorsänger
, vor allem Ketel, haben die verschiedenen epithelialen Zellenformen schon genau beschrieben. Es freut mich, der
Beschreibung des Letztgenannten Forschers auch hier in allen wichtigen Punkten mich anschliessen zu können, weshalb
ich hier nur eine kurzgefasste Darstellung gebe. Es war zwar meine Absicht, eine grössere Reihe von Bildern
beizufügen, ich musste alter wegen Mangel an Platz auf der Tafel manche wieder ausschliessen. Das ganze Vestibidum
ist in seinen beiden Abtheilungen von dem seit EcKEB bekannten eigentümlichen Flimmerepithel bebleidet; die einzelnen
Zellen (Fig. 17 a] desselben sind cylindrisch-flaschenförmig, mit dem Kern im Grunde und einem stärker
lichtbrechenden, von oben gesehen polygonalen Saume an der oberen Fläche, von welchem das immer nur einzige
dicke, cylindrische, der Länge nach feingestreifte, peitschenartige, dem Ende zu sieh langsam spitz verschmälernde
Flimmerhaar ausgeht; diese Haare zerfallen durch verschiedene BehandlungSweisen, besonders gut durch UeberQS-
miumsäure, in ihre constituirenden, zahlreichen, feinen Fäserchen (Fig. 17 bc). Diese Zellen und ihre Flimmerhaare
sind an den Firsten kleiner. Am unteren knopfförmigen Vorsprung der Crista frontalis geht dieses Epithel in ein nicht
flimmerndes Cylinderepithel über. Unter dem Flimmerepithel des Vestibulum hat Reich eine andere Epithelschicht ge-
G. Ketzins: Das Gehörorgan der Wirbelthieie. 4
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