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Hörliaaren sah ich eine Zusammensetzung aus Fibrillen, welche durch die Präparation sich von einander oft trennen
können. Die Cupula terminalis fand ich aus feinen dichtgedrängten Fasern zusammengesetzt sowie an der unteren
Fläche mit den von Hasse beschriebenen Löchern versehen. In den Membrana? tectoriae der Macula? acusticae
sah ich eine Fibrillirung nur an den Rändern, sonst einen homogenen Bau mit Höhlungen, von denen die an der unteren
Fläche belegenen sich dort öffnen. An den Papilla? partis basilaris konnte ich keine Membrana tectoria finden.
Eine Communicationsöffnung zwischen Utriculus und Sacculus sah ich beim Hecht, Aal, Brachsen, nicht aber beim
Barsch, Flunder, Dorsch, Coregonus. Ausserdem fand ich in der Sacculuswand eben nahe an dieser Communicationsöffnung
ein zweites kleines Loch, welches zu einem Canal führte, der nach oben, neben dem Sinus superior und der
Dura mater verlief, dessen oberes Ende ich jedoch nicht verfolgen konnte. Ich hielt es für sehr wahrscheinlich,
dass in diesem Canal das Homologon des Aquaeductus vestibuli vorliege.
Im folgenden Jahre erschien die Abhandlung Hasse's1 über die Schwimmblase der Fische, wo er ausführlicher
die Theorie Webers von deren Verbindung mit dem Gehörorgan besprochen hat. Hasse blieb bei seiner schon
dargestellten Ansicht. Das Atrium sinus imparis der Cyprinoiden ist ein Lymphraum und der Sinus impar besteht
nur aus einer queren kurzen Verbindungsröhre der Sacculi der beiden membranösen Labyrinthe ohne eigentlichen
Zusammenhang mit der Schwimmblase. Bei den Clupeiden konnte er die von Weber beschriebene quere Verbindung
der beiden häutigen Gehörorgane (der beiden Utriculi) an der Schädelbasis nicht finden; dagegen erkannte er,
statt der von anderen Forschern geschilderten oberen Verbindung der Gehörorgane, etwas unterhalb der unter den
Knochen des Schädeldaches gelagerten Spitze der Bogengangscommissur eine hinter dem Mittelhirne, oberhalb des
Nachhirns, gelegene, bogenförmig von einer Commissur zur anderen ziehende Röhre, welche die Aquaeductus vesti-
bulorum aufnehmen und in welcher diese mit einander verschmelzen, wodurch in der That eine Art Verbindung der
beiden Gehörorgane entsteht.
In seiner zu gleicher Zeit erschienenen Arbeit über die Lymphbahnen des inneren Ohres besprach Hasse 2 auch
die Verhältnisse bei den Knochenfischen, indem er das Vorhandensein des von mir beschriebenen, vom Sacculus aus-
gehenden Canals bestätigte, dessen oberes blindes Ende auffand und diese Bildung mit voller Sicherheit als das Homologon
des Aquaeductus vestibuli oder Ductus endolymphaticus anderer Wirbelthiere feststellte.
In demselben Jahre erschien die zusammenfassende Arbeit Hasse's :! über die vergleichende Morphologie und
Histologie des häutigen Gehörorganes der Wirbelthiere. Von seinen Angaben betreffs der Knochenfische werde ich
hier Folgendes hervorheben. Nach seinen Erfahrungen, entgegen den meinigen, ist bei allen Fischen eine enge
Communication des Recessus sacculi mit dem Utriculus vorhanden. Die Existenz der von mir gefundenen Nervenendstelle
, welche ich Pars basilaris genannt hatte, wird durch Hasse bestätigt; aus mehreren Gründen war er
aber nicht geneigt, meiner Deutung sich anzuschliessen, sondern hielt es für möglich, dass wir es hier mit einem
Reste des im Bereiche der Vestibularsäckchen der Neunaugen vorhandenen Flimmerepithels zu thun haben. Uebri-
gens stimmen im ganzen seine bezüglichen Angaben in dieser Arbeit mit seinen in der Abhandlung über das Gehörorgan
der Fische mitgetheilten überein. Er scheint aber nun mehr meine Auffassung von der Zusammensetzung der Hörhaare
aus mehreren Fäserchen zu theilen. In Betreff der Cupula terminalis sagt er, dass sie eine muldenförmig ausgehöhlte
, resistente Membran ist, deren Form ein Abdruck der kuppeiförmigen Nerven epithelfläche der Gehörleisten
ist; sie zeigt sich zuweilen leicht streifig in der Längsaxe, jedoch ohne irgend welche faserige Structur erkennen zu
lassen; diese Streifung ist der Ausdruck einer schichtweisen Absonderung der Membran.
Vor einigen Jahren hat Kuhn4 Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische veröffentlicht,
und diese Untersuchungen sind an ziemlich denselben Thieren, an welchen ich arbeitete, vorgenommen, nämlich besonders
an Esox Lucius, Perca fluviatilis und Chondrostoma nasus und ausserdem an Muraena Anguilla, Cyprinus car-
pio, Solea vulgaris und Gadus morrhua. In einigen wichtigen Beziehungen kam er jedoch zu anderen ihm eigen-
thümlichen Resultaten. Im Nervenepithel der Cristae und Maculae acusticae erkannte er zu unterst eine Basalzellen-
1 C. Hasse, Beobachtungen über die Schivimmblase der Fische, Anatomische Studien, herausgeg. von Dr C. Hasse (viertes Heft), N:oXIV. Leipzig
1873.
2 C. Hasse, Die Lymphbahnen des inneren Ohres der Wirbelthiere, Anatomische Studien, herausgeg. von Dr C. Hasse, (viertes Heft) N:o XIX.
Leipzig 1873.
3 C, Hasse, Die vergleichende Morphologie und Histologie des häutigen Gehörorganes der Wirbelthiere. Supplement zu den Anatomischen Studien,
Band I. Leipzig 1873.
* Kuhn, Untersuchungen über das häutige Labyrinth der Knochenfische, Archiv für mikroskop. Anatomie, herausgeg. von v. la Valette St. George
und W. Wat.deyer. Bd XIV, 1877 (Nov.).
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