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Unter dem Utriculus liegt der grosse Sacculus (Fig. 1, 2 s). Eine Communicationsöffnung, einen Canalis
utriculo-saccularis, konnte ich diesmal ebenso wenig wie bei meinen früheren Untersuchungen finden. Ich habe
mich in der That überzeugt,, dass beim Barsche keine solche Communication vorhanden ist, obwohl der Utriculus
und der Sacculus eine kurze Strecke einander sehr dicht anliegen. Der Sacculus selbst ist ein langgestreckt
ovaler, vorn zugespitzter, seitlich etwas zugedrückter Sack, dessen laterale Wand dünner als die mediale ist. Sein
vorderes, spitzes Ende reicht ungefähr so weit nach vorn, dass es unter dem hinteren Theil der vorderen Ampulle
steht; das hintere, stumpf abgerundete Ende schiesst eine Strecke hinter der hinteren Ampulle hervor. Ueber den
oberen Theil der medialen Sacculusfläche breitet sich in dreieckiger Ausbreitung der Ramulus sacculi aus, indem
seine Bündel sich verzweigend nach unten hin immer mehr divergiren, um in der hier belegenen Macula acustica
sacculi zu enden. Diese Macula acustica sacculi (Fig. 1, 2 ms) liegt an der Innenfläche der medialen Sacculus-
wand und ist von schmaler lancettähnlicher Gestalt mit einem sanften Einschnitt dicht hinter der Mitte des unteren
Bandes. Im Sacculus liegt der grosse Otolith (die sog. Sagitta), von etwa denselben Längen- und Höhendimensionen
als der Sackraum selbst; der Otolith liegt der medialen Sack wand an, und ein von dicker Flüssigkeit erfüllter
Eaum bleibt zwischen ihm und der lateralen Wand übrig; der obere, der hintere und der untere Rand des Otolithen
ist convex, der obere und hintere mit mehreren Einschnitten versehen; am oberen ist vorn ein grösserer Einschnitt,
welcher zu einer horizontal verlaufenden Kinne an der medialen Fläche führt; diese Rinne, welche der Macula
entspricht, ist mit einer glasig-homogenen Masse erfüllt, die viele kleine vacuolenähnliche Räume enthält und nach
unten in eine Deckmembran übergeht, welche, die Gestalt der Macula wiederholend, an ihrer unteren Fläche mit
zahlreichen sehr kleinen Löchern versehen ist, die zu blind endigenden Räumen führen; zwischen diesen Löchern
ist das Gewebe der Deckmembran streifig, undeutlich balkig, indem die Streifung nach den dünnen Rändern hinaus
radiirt. Der Bau des Otolithen stimmt vollständig mit dem des Recessus utriculi überein.
Vom oberen Rand des Sacculus geht, der medialen Fläche näher und vor der Mitte derselben, eine schmale, canal-
förmige, dünnwandige Röhre aus, welche mit ovaler Oeffnung dicht neben und medialwärts von der Macula neglecta
(Fig. 1, .2, 5 de) beginnend und, zuerst in sanftem Bogen nach hinten, dann wieder ein wenig nach vorn umbiegend,
an der medialen Fläche des Utriculus und dessen Sinus superior, von der Dura mater bedeckt, ziemlich lothrecht
nach oben zieht, um dort blind zu endigen. Es ist dies der von mir zuerst als Ductus sacculi beschriebene Ductus
endolymphaticus.
Am oberen-hinteren Ende des Sacculus findet sich als eine mützenförmige Ausstülpung die Lagena Cochlea,
welche nur durch eine sehr schwache Einschnürung der hinteren und medialen Wand vom Sacculus abgegrenzt ist
Fig. 1, 2, 5 l); sie communicirt also mittelst grosser ovaler Oeffnung mit diesem. An ihrer medialen Wand findet
sich, gleich hinter der Einschnürungsfalte, die zungenförmige Papilla ac. lagerm, deren schmaleres Ende nach vorn-oben,
deren breiteres dagegen nach unten-hinten gerichtet ist; an ihrer äusseren Fläche breitet sich fächerförmig der lange
Ramulus lagena; aus, und an der inneren Fläche der Papilla liegt der dreieckig-halbmondförmige Otolith (der nach
dessen Gestalt bei Cyprinoiden sogenannte Asteriscus); zwischen ihm und der Papilla findet sich eine Deckmembran
von demselben Bau als derjenigen des Sacculus.
In Betreff des feineren Baues des Nerven, der häutigen Wand, der ganzen Epithelbekleidung und besonders
des Nervenepithels kann ich mich hier kurz fassen. Erneute Untersuchungen haben mich nämlich immer zu ungefähr
denselben Ergebnissen geführt, welche ich in dem 1872 gedruckten Werke über das (Gehörorgan der Knochenfische
ausführlich mitgetheilt habe. Ich kann deswegen auf diese Beschreibung hinweisen und hier nur eine gedrängte
Darstellung liefern.
Der Gehörnerv und seine Zweige bestehen aus markhaltigen Nervenfasern, deren Schwannsche Scheide die
gewöhnlichen Einschnürungen und Kerne trägt, deren Myelinscheide die üblichen Unterbrechungen zeigt, und deren
Axencylinder eine sehr deutliche Längsstreifung (resp. Fibrillirung) erkennen lässt; viele der Nervenfasern sind- im
vorderen sowohl als im hinteren Nervenaste von interpolirten grösseren oder kleineren bipolaren Nervenzellen unterbrochen
, wobei entweder nur die Schwannsche Scheide oder zugleich die Markscheide der Nervenfaser sich über
und um die Nervenzelle fortsetzen.
Die eigentliche Wand des häutigen Gehörorgans besteht aus einer im ganzen homogenen, hie und da aber
etwas streifigen, ziemlich derben und elastischen Substanz mit eingestreuten Zellen, welche um einen ovalen, schmalen
Kern ein körniges Protoplasma führen, das bald nach zwei, bald nach mehreren Richtungen Ausläufer zeigt.
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